von Feride Tavus
Astrophysiker Akın Yıldırım forscht als einer von weltweit etwa 40 Wissenschaftlern am neuen James-Webb-Teleskop der NASA. Er ist dabei der einzige Vertreter aus Deutschland, der an dieser neuen Mission mitarbeitet. Im Gespräch mit TRT Deutsch erzählt Yıldırım über die Mission, seine Ambitionen und über seine Person.
Als einer von weltweit etwa 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden Sie mit dem neuen NASA-Teleskop die drei Milliarden Jahre entfernte Galaxie „RXJ1131-1231" beobachten. Können Sie uns mehr zu diesem Projekt erzählen?
Ja, es ist eine sehr weit entfernte Galaxie, die wir beobachten wollen. Grund der Beobachtung oder die Motivation dahinter ist es eigentlich, die Expansionsgeschwindigkeit des Universums zu bestimmen.
Sie können sich das so vorstellen: Am Anfang gab es eine Explosion und alle Teilchen bewegten sich weit voneinander weg. Sie verstreuen sich in alle möglichen Richtungen und das Universum expandiert. Es gibt aber eine Kraft im Universum, die der Expansion oder der Entfernung entgegenwirkt. Und das ist die Gravitation.
Diese Teilchen haben aber Masse und werden deswegen wieder zueinander hingezogen. Und wenn sie jetzt aber bestimmen, wie schnell sich diese Teilchen voneinander entfernen, dann können sie Rückschlüsse darauf ziehen, wie stark die Gravitation ist.
Woher kommt das Interesse am Universum?
Das Interesse hat eigentlich schon während meiner Schulzeit irgendwie eingesetzt.
Gibt es einen Gott, gibt es keinen Gott? Woher kommen wir? Wie ist das Universum entstanden? Manchmal führt einen das in Richtung Religion, manchmal in Richtung Philosophie. All das hat mir eigentlich aber keine befriedigende Antwort gegeben. Und dann bin ich im Endeffekt bei der Physik gelandet und ich hatte immer schon so ein Interesse am Universum, am Sternenhimmel.
Sie versuchen wirklich grundlegende Fragen zu beantworten wie: Woraus besteht das Universum? Wie alt ist das Universum? Wie sah das Universum eine Stunde, zehn Stunden, einen Monat, ein Jahr nach seiner Entstehung aus? Das hat mich immer schon bewegt. Und das war eigentlich auch der Grund, warum ich Physik studiert habe.
Als Astrophysiker, begeistern Sie sich auch für Science-Fiction-Filme?
Ja, ich bin absoluter Science-Fiction-Filmfan. Aber in letzter Zeit, muss ich sagen, hatte ich ziemlich wenig Zeit, irgendwelche Serien oder Filme anzuschauen. Wer in seiner Jugend ist nicht einmal über Star Trek oder Star Wars oder sonstiges gestolpert? Teilweise sind die Theorien natürlich an den Haaren herbeigezogen. Aber ich finde, das Schöne an der Science-Fiction ist, dass sie wirklich versucht, dieses ganze Abstrakte dann der Allgemeinbevölkerung näherzubringen und ein gewisses Interesse daran zu wecken.
Wer sind Ihre beruflichen Vorbilder?
Newton ist für mich ein ganz großes wissenschaftliches Vorbild. Wir leben in einer sehr verrückten Zeit. Wir alle haben ein Handy. Wir kommunizieren über das Internet. Wir reden über Skype. Wir wissen eigentlich innerhalb von fünf Sekunden, was am anderen Ende der Erde passiert ist – über Facebook und Twitter. Vor 300 Jahren war das nicht der Fall. Vor 300 Jahren haben die Menschen noch geglaubt, die Erde wäre flach und alles würde um die Erde kreisen. Und insofern fand ich eigentlich die wissenschaftliche Erkenntnis oder Errungenschaft von Newton für die Zeit, in der er gelebt hat, enorm.
Waren Sie in der Schule ein Mathe-Ass?
Ich bin jetzt kein gottgegebenes Genie oder sowas wie Newton oder Einstein. Nein, ich gehöre eher zu der Mehrheit derer, die ein gewisses Interesse daran haben. Und einfach diesem Interesse nachgehen, dann einfach sich bemüht haben, dann auch diesen Gedächtnisspagat hinzukriegen. Also nein, ich hatte zwar immer gute Noten in Mathematik, aber ich war jetzt keiner, der irgendwie von der ersten Klasse an da jetzt nur Einsen oder sowas hatte.
Dennoch wären Sie fast auf der Hauptschule gelandet. Wie kam es dazu?
Es hieß, ich solle auf die Hauptschule gehen. Dem haben meine Eltern so nicht zugestimmt. Es gab auch gewisse Diskussionen mit den Lehrern und der damaligen Direktorin. Auf jeden Fall: Meine Eltern haben darauf beharrt, dass ich die Klasse freiwillig wiederhole. Einfach um mir die Gelegenheit zu geben und zu schauen, ob ich sozusagen in diesem einen Jahr die Defizite nicht wegbekommen könnte. Ich bin freiwillig sitzen geblieben und im Jahr darauf haben sich die Noten erheblich gebessert, so dass ich die Empfehlung fürs Gymnasium bekommen habe. Es hätte auch genauso schief laufen können. Hätte ich damals nicht die Unterstützung von zu Hause gehabt, dann hätte mein beruflicher Werdegang sicherlich ganz anders ausgeschaut.
Wie wichtig sind berufliche Vorbilder für Kinder und Jugendliche aus Einwandererfamilien?
Ich bin da weit davon entfernt, mich als Vorbild zu bezeichnen. Sicherlich, wenn wir da auf Herrn Şahin, also den Gründer von BionTech, zu sprechen kommen, das sind eigentlich die Personen, wo ich sage: Superleistung. Das sind die absoluten Vorbilder, die man sich nehmen kann. Aber ich würde mich durchaus geehrt fühlen, wenn das eine oder andere Kind sagt: Da ist ein türkischer Physiker, ich möchte das auch machen – umso schöner.