Bundeswehr-Denkfabrik sieht in Wasserstoff eine strategische Chance
Forscher der Bundeswehr raten zu einer militärischen Wasserstoffstrategie. Dies wäre ein Konzept für eine größere Autonomie Deutschlands und den Schutz des Klimas. Die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen mache die Frage zusätzlich aktuell.
07.02.2022, Niedersachsen, Munster: Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 2 A7V fahren über den Truppenübungsplatz. (DPA)

Bundeswehrforscher plädieren für eine militärische Wasserstoffstrategie als Beitrag zu einer unabhängigeren Energieversorgung Deutschlands. Dies biete sich zunächst für die küstennahe Schifffahrt und den Flugverkehr an, wo auch synthetisch erzeugte Kraftstoffe zum Einsatz kommen könnten, schreiben die Wissenschaftler in einer Untersuchung, die die Bundeswehr-Denkfabrik GIDS in der Nacht zum Dienstag veröffentlichte. Auch der Betrieb von Fahrzeugen und die große Zahl an Gebäuden werden genannt.
Das GIDS (German Institute for Defence and Strategic Studies) ist eine Kooperation der Führungsakademie der Bundeswehr und der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr in Hamburg. Das Institut berät die Politik und die militärische Führung.
Energieautonomie immer wichtiger
„Die Frage der Energieautonomie der Bundeswehr der Zukunft besitzt vor dem Hintergrund erwartbarer Veränderungen der Energieinfrastruktur sowie der Antriebssysteme für die Mobilität eine große Bedeutung“, stellen die Forscher fest. Ein zentraler Kristallisationspunkt sei in Deutschland die nationale Wasserstoffstrategie.
Die Forscher verweisen auf die Technisierung der Streitkräfte. Diese mache energieintensive Systeme notwendig, die bisher vorrangig von fossilen Energieträgern angetrieben werden. „Die Fähigkeit, erfolgreiche militärische Operationen zu planen und durchzuführen, ist daher zunehmend auch an das Energiemanagement von Streitkräften selbst geknüpft“, heißt es in dem Bericht. „Folglich macht eine solche volkswirtschaftliche und militärische Abhängigkeit von Öl den Zugang zu diesem Energieträger und die Stabilisierung der Ölmärkte bekanntermaßen zu einer strategischen und sicherheitspolitischen Notwendigkeit.“
Öl-Abhängigkeit aus Krisenregionen steigt
Insbesondere in Europa gehe aber die Förderung von Rohöl und Erdgas absehbar zurück - schon wegen der Ausschöpfung bestehender Lagerstätten. Damit werde die Abhängigkeit von Erdöl aus Krisenregionen steigen. „Aber auch Erdgasimporte werden zukünftig weniger aus Westeuropa erfolgen können“, erklärten die Forscher. Diese Entwicklung werde seit vielen Jahren erwartet und könne sich verschärfen, wenn trotz steigenden Verbrauchs weniger in die Erschließung neuer Quellen investiert werde.
Die Forscher sehen in der Bundeswehr auch das Potenzial für einen Einstieg in die neuen Technologien. Mit mehr als 30.000 Fahrzeugen sei die Bundeswehr der größte Kraftstoffverbraucher unter den Bundesbehörden. Zum Vergleich: Die Bundespolizei betreibe 7000 Fahrzeuge. Zusammen mit rund 1450 Liegenschaften und mehr als 33.000 Gebäuden könne die Bundeswehr bei einer Einbindung von Wasserstoff in das eigene Energiemanagement zu einem wichtigen gesamtstaatlichen Instrument für eine Nachfrageentwicklung werden.
U-Boote verwenden Wasserstoff
Innerhalb der Bundeswehr findet Wasserstoff bislang schon in U-Booten Verwendung als Energieträger. Kampfflugzeuge, schwere Kampfpanzer und bestimmte Marineschiffe könnten nach Einschätzung der Forscher jedoch bestenfalls mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Der Grund: Diese haben einen höheren Energiegehalt als Wasserstoff.
Relevant sei dabei auch, woher künftiger Wasserstoff (H2) komme. Eine vertiefte Zusammenarbeit mit Ländern etwa in Nordafrika oder im Nahen Osten habe volkswirtschaftliche und strategische Folgen. „So bleibt eine Importlogik von Energieträgern weiterhin bestehen und verschärft sich sogar noch. Anders als bei Rohöl würde mit H2 bereits ein divers und direkt einsetzbarer Energieträger importiert“, so die Forscher. Anders als Öl werde Wasserstoff schon als Endprodukt geliefert, so dass es in Deutschland keine Gewinne mehr bei der Verarbeitung gebe.

DPA