Der US-Elektroautobauer Tesla hat nach einer Gerichtsentscheidung am Donnerstagabend wieder Bäume für die geplante Fabrik bei Berlin gerodet - begleitet von neuen Protesten.
Zwei Umweltschützerinnen kletterten am Freitag auf Bäume im Wald in Grünheide. Die Polizei holte sie nach Angaben eines Sprechers mit Hilfe von Höhenrettern aus sechs bis acht Metern Höhe herunter. Die Aktion zog sich aber hin, deshalb musste die Sprengung dreier Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg um fast drei Stunden verschoben werden.
Die beiden Frauen im Alter von 19 und 22 Jahren gehören der Umweltgruppe „Baumpiratinnen“ an. Es sollen laut Polizei dieselben sein, die schon am Montag auf Bäume geklettert waren. Die Polizei habe Anzeige wegen Hausfriedensbruchs aufgenommen. Ein Sprecher der Umweltgruppe sagte, der Protest richte sich gegen die Zerstörung von Wald und auch gegen den Kapitalismus im Allgemeinen.
Tesla kann noch vor Beginn der Vegetationsperiode weiter Bäume fällen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hatte am Donnerstagabend die Eilanträge zweier Umweltverbände gegen die vorzeitige Zulassung des Rodens in zweiter Instanz zurückgewiesen (OVG 11 S 8.20). Die Grüne Liga Brandenburg und der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern halten die Rodung für rechtswidrig, weil die Fabrik nicht abschließend genehmigt ist. Wann diese Genehmigung kommt, ist offen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier begrüßte das grüne Licht zur weiteren Rodung. „Das ist ein gutes Urteil für den Umweltschutz, Arbeitsplätze und Zukunftstechnologien“, behauptete Altmaier auf einer Reise in Litauens Hauptstadt Vilnius. Das Urteil sei ein wichtiges Signal für eine klimafreundliche und CO2-neutrale Autoindustrie in Deutschland. „Ich erhoffe mir hiervon auch eine Intensivierung der Diskussion zum Thema Planungsbeschleunigung.“
„Wichtiges Signal für Investitionsstandort Deutschland“
Bundesumweltministerin Svenja Schulze zeigte sich ebenfalls erfreut. „Gut, dass so schnell Rechtssicherheit geschaffen wurde“, schrieb Schulze bei Twitter. Die deutsche Wirtschaft müsse auf dem Weg zur Klimaneutralität umfassend umgebaut werden.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sieht Tesla im selbstbestimmten Zeitplan. „Ich bin froh, dass mit der Entscheidung des OVG die Rodungsarbeiten weiter vorangehen können und ich denke, dass sie in der nächsten Woche abgeschlossen werden können“, sagte Woidke in Potsdam. Proteste gegen die Ansiedlung könne er nicht nachvollziehen. Er sehe aber bei der Mehrheit der Bevölkerung eine riesengroße Unterstützung.
Ein „wichtiges Signal für den Investitionsstandort Deutschland“ nannte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) den Gerichtsbeschluss. Er forderte aber, das Klagerecht von Umweltverbänden gegen Industrieprojekte auf den europäischen Prüfstand zu stellen. „Wenn jetzt nicht entschieden gegengearbeitet wird, droht der Investitionsstandort Deutschland nachhaltig Schaden zu nehmen“, erklärte BDI-Vize-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch.
Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann warnte vor Missbrauch des Verbandsklagerechts. „Vereine ohne eigene Betroffenheit sollten nicht aus Prinzip wichtige Projekte blockieren und unsere Wirtschaft lahmlegen können“, erklärte er. Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl nannte die Ansiedlung Teslas eine „große Chance für Brandenburg auf dem Weg hin zu einem Standort für moderne Mobilität und innovative Technologien“.
Bosch-Chef Volkmar Denner sagte dem „Tagesspiegel“: „Viele wollen eine ökologischere Wirtschaftsweise, aber nicht die Konsequenzen tragen, wie auch der Streit um Windräder und Stromtrassen zeigt.“
Tesla soll zur Verkehrswende beitragen
Zurückhaltend reagierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Wir begrüßen, dass mit der Gigafactory eine Autofabrik des postfossilen Zeitalters entsteht & damit die herkömmliche Autoindustrie unter Druck gerät“, erklärte der Verband bei Twitter. „Wir werden weiterhin kritisch begleiten, ob Tesla zum Gelingen einer echten Verkehrswende beiträgt.“
„Die Brandenburger Landesregierung hat für die Ansiedlung eigens die ,Tesla-Taskforce´ gegründet. Sie soll dem Unternehmen möglich machen, was in Deutschland unmöglich erscheint: Baubeginn noch in diesem Frühjahr, Produktionsbeginn kaum 15 Monate später“, schrieb der Zürcher „Tages-Anzeiger“ am Samstag. „Umweltschutzfragen, die bei vielen anderen Projekten längst zum Aus geführt hätten, wurden handhabbar gemacht. So verbraucht die Tesla-Produktion voraussichtlich so viel Wasser wie ganz Brandenburg, und das in einer Gegend mit vielen Schutzgebieten. Das Bewilligungsverfahren war rekordverdächtig schnell. Die Vorschriften wurden so offensichtlich und derart stark gedehnt, dass Tesla und die Regierung nur froh sein können, dass diese Praxis noch einmal vor Gericht kam.“
Die Grüne Liga Brandenburg, die für den vorläufigen Rodungsstopp gesorgt hatte, zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung. Sie steht nach einem Streit voraussichtlich vor einem Wechsel an der Spitze. Verbandschef Heinz-Herwig Mascher sagte: „Wir müssen einen Neustart machen.“ Mitglieder hatten nach dem Rodungsstopp den Rücktritt der Führungsspitze gefordert.
Tesla will vom kommenden Jahr an in Grünheide rund 500.000 Elektrofahrzeuge im Jahr bauen. Das Gelände ist als Gewerbegebiet ausgewiesen. Der Wald - meist Kiefern - gilt nicht als qualitativ hochwertig.