EU streitet über „Freundschaft“-Pipeline
Die Ukraine hat die Öllieferung über die Pipeline „Freundschaft“ gestoppt. Nun drohen Ungarn und die Slowakei mit einer Klage, falls die ukrainischen Behörden den Öldurchfluss nicht wieder aufnehmen.
Ungarn und die Slowakei fordern die Wiederaufnahme des Transits über die Pipeline „Freundschaft“. (Others)

Vor Beginn des Ukraine-Krieges wurde über die Pipeline „Freundschaft“ russisches Öl nach Europa geliefert. Die Pipeline hat zwei Stränge. Der nördliche Abschnitt verläuft durch Belarus nach Polen und weiter nach Deutschland, Lettland und Litauen. Der südliche Abschnitt führt durch die Ukraine nach Ungarn, in die Slowakei, nach Tschechien und Kroatien.

Seit Februar 2023 wird über den nördlichen Strang nur noch kasachisches Öl geliefert. Die Lieferung von russischem Öl wurde eingestellt. Im Sommer 2024 stoppte die Ukraine den südlichen Abschnitt der Pipeline.

Dies geschah, nachdem das russische Unternehmen LUKOIL auf die Sanktionsliste gesetzt wurde. Das Problem dabei ist, dass LUKOIL einer der größten Öllieferanten für Ungarn und die Slowakei ist. Der bestehende Vertrag mit der ungarischen Gruppe MOL sieht die Lieferung von etwa vier Millionen Tonnen Öl pro Jahr an die Raffinerien in Budapest und Bratislava vor.

Nun drohen beide Länder Kiew mit rechtlichen Schritten. Das ungarische Außenministerium erklärte, dass die Einstellung des Transits gegen das Abkommen zwischen der EU und der Ukraine verstoße. Auch die Auszahlung von Entschädigungen für die Waffenlieferungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro könnte dadurch blockiert werden.

Die Gründe für den Streit und dessen mögliche Folgen erläuterte der Ökonom Jaroslaw Romantschuk gegenüber TRT Russisch:

„Ohne Zweifel ist das Geschehene für Ungarn und die Slowakei unangenehm – es wurden langjährige Standardabläufe gestört. Wahrscheinlich gingen sie davon aus, dass die Risiken bezüglich der Zusammenarbeit mit dem russischen Unternehmen irgendwie gemanagt werden könnten, und unternahmen keine Versuche, die Lieferungen zu diversifizieren. Nun haben sie die Konsequenzen zu tragen.

Natürlich ist die Pipeline ,Freundschaft‘ kein Element der Energiesicherheit für die Ukraine. Aber sie wirft viele Fragen auf, was ihren Betrieb im Allgemeinen betrifft. Welche Kontakte können während eines Krieges mit der russischen Seite dann überhaupt noch bestehen?

Wie kritisch ist der Stopp des Transits für alle beteiligten Seiten?

Für die Ukraine wird es sicherlich Verluste geben. Kiew erhielt Geld für den Transit, das ist ganz offensichtlich. Aber wie man so sagt: Es gibt Dinge, die wertvoller sind als Geld.

Die EU-Länder, insbesondere Ungarn und die Slowakei, müssen verstehen, dass es sich hierbei nicht um eine Laune handelt, sondern um ein Element der nationalen Sicherheit.

Deshalb würde ich den Fokus nicht nur auf den monetären Aspekt dieses Themas legen. Wichtiger ist, was im Gesamtkontext geschieht. Die Ukraine wird durch die Entscheidung, sich in den europäischen Energiemarkt zu integrieren, langfristig größere Vorteile haben als durch den kurzfristigen Nutzen des Weiterbetriebs dieser Pipeline.

Wie können sie die Situation mit dem Öl lösen?

Der Markt für Erdölprodukte ist ausreichend liquide und mobil. Auf diesem Markt gibt es viele Anbieter. Ich habe nichts von einem Mangel an Erdölprodukten in der EU gehört.

Es handelt sich um den Versuch, die Interessen großer Ölunternehmen als nationale Interessen darzustellen. Die Frage ist lediglich, inwieweit sie bereit sind, nach den europäischen Regeln zu arbeiten.

Ich glaube nicht, dass hier ein Kompromiss seitens der ukrainischen Behörden möglich ist, die zweifellos die Unterstützung der Europäischen Union genießen. Zugeständnisse seitens Kiew wird es nicht geben.“


TRT Deutsch