Erneut könnten zahlreiche Politiker und andere Prominente in aller Welt nach der Veröffentlichung brisanter Dokumente über ihr Finanzgebaren unter Druck geraten. Allein 35 amtierende und frühere Staatslenker sowie mehr als 330 andere Politiker aus fast 100 Ländern sowie weitere bekannte Persönlichkeiten sollen nach Angaben eines internationalen Konsortiums investigativer Journalisten Vermögen „mithilfe von intransparenten Trusts, Stiftungen und Briefkastenfirmen“ angelegt haben. Das berichteten am Sonntagabend „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR, die nach eigenen Angaben an der Auswertung des Datenlecks mitgewirkt hatten. Die mehr als 11,9 Millionen Dokumente tragen den Namen „Pandora Papers“.
Bereits vor etwa fünfeinhalb Jahren hatte der Rechercheverbund mit der Veröffentlichung der „Panama Papers“ für Aufregung gesorgt. Dabei handelte es sich um Unterlagen der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die von Journalisten weltweit ausgewertet wurden. Aus ihnen ging hervor, dass zahlreiche Politiker, Sportler und andere Prominente Vermögen in Offshore-Firmen hielten.
Tschechiens Ministerpräsident in der Kritik
Zu den in den „Pandora Papers“ erwähnten Politikern zählt auch der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis. Ihn treffen die Vorwürfe wenige Tage vor der Parlamentswahl in dem EU-Mitgliedstaat am 8. und 9. Oktober. Babis soll nach Angaben des Recherchekonsortiums ein Landgut in Frankreich für 15 Millionen Euro auf intransparente Weise gekauft haben. Der Kaufpreis sei „über Briefkastenfirmen in Washington, Monaco und den Britischen Jungferninseln nach Frankreich“ geflossen, hieß es in der Onlineausgabe der „Süddeutschen Zeitung“. Der Fall geht demnach auf das Jahr 2009 und damit auf die Zeit vor dem Eintritt des Multimilliardärs in die Politik zurück.
Der Regierungschef wies die Anschuldigungen noch am Sonntagabend zurück: Es sei klar, dass er weder etwas Ungesetzliches noch etwas Schlechtes getan habe, sagte Babis der Nachrichtenagentur CTK. Er sprach von einem Versuch, ihn „zu beschmutzen und auf diese Weise die tschechischen Parlamentswahlen zu beeinflussen“. In der Vergangenheit hatte sich Babis oft als Kämpfer gegen Korruption dargestellt. Nach einer Umfrage im Auftrag des Senders CNN Prima News würde die populistische ANO von Babis bei der anstehenden Parlamentswahl mit 27,3 Prozent der Stimmen erneut mit deutlichem Abstand stärkste Kraft werden.
Südzyprischer Regierungschef als „Offshore-Vermittler für reiche Russen“?
Auch der zyperngriechische Staatschef Nicos Anastasiades wird in den „Pandora Papers“ genannt. Die Anwaltskanzlei namens „Nicos Chr. Anastasiades and Partners“ wird „in den Pandora Papers als wichtiger Offshore-Vermittler für reiche Russen“ gelistet. Die Kanzlei trägt den Namen ihres Gründers, Nicos Anastasiades. Mittlerweile soll die Kanzlei von dessen Töchtern geführt werden.
Laut dem Nachrichtenportal „The Greek Herald“ stellte ein Compliance-Manager der panamaischen Anwaltskanzlei Alcogal im Jahr 2015 fest, dass die zyprische Anwaltskanzlei dem russischen Milliardär und ehemaligen Senator Leonid Lebedew dabei half, das Eigentum von vier Unternehmen zu verschleiern.
Außerdem findet sich auch der ehemalige britische Premierminister Tony Blair in den Leaks. Er habe legal die Zahlung von Stempelsteuern für eine millionenschwere Immobilie in London vermieden. Das wurde möglich, indem er und seine Frau kurzerhand die Offshore-Firma aufkauften, der das Anwesen gehörte.
Jordaniens König Abdullah II. soll auf rund 30 Offshore-Firmen in Steueroasen zurückgegriffen haben, um 14 Luxusanwesen in den USA und Großbritannien zu erwerben.
Größtes Steueroasen-Datenleck
Dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) wurden die Dokumente eigenen Angaben zufolge von einer anonymen Quelle zugespielt. Die geheimen Dokumente von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern reichen bis ins Jahr 2021, wie es weiter hieß. Die „Pandora Papers“ seien damit das bislang größte Datenleck zu Geschäften in Steueroasen. In den vertraulichen Dokumenten fänden sich unter anderem auch Namen von prominenten Spitzensportlern und Firmenvorständen.
An den Recherchen waren den Angaben zufolge Journalistinnen und Journalisten von 150 Medienorganisationen aus 117 Ländern beteiligt. Zu den Partnermedien zählten unter anderem die „Washington Post“, der „Guardian“, der „Indian Express“, „Le Monde“ und „Aftenposten“.
Vor fünfeinhalb Jahren hatten die „Panama Papers“ für Aufregung gesorgt. Durch die Enthüllungen gerieten Politiker, Geschäftsleute und Prominente unter Druck. In Malta gab es im Juni 2017 wegen der „Panama Papers“ Neuwahlen, in Island führte die Veröffentlichung zum Rücktritt des Ministerpräsidenten Sigmundur Gunnlaugsson.
Öffentliches Interesse hielt sich in Grenzen
Der internationalen Medien zugespielte Datenberg zeigte damals große Geldströme nach Panama, wo tausende Briefkastenfirmen angesiedelt sind. Ob es sich dabei auch um strafbare Geschäfte handelt, prüften weltweit Staatsanwälte. Die 11,5 Millionen Dateien umfassten E-Mails, Urkunden und Kontoauszüge zu 214.000 Gesellschaften vor allem in der Karibik. Dabei tauchten die Namen von 140 Politikern oder Politikervertrauten auf.
Strafrechtliche Folgen hatten die Enthüllungen jedoch bislang kaum - offenbar hatten die Betroffenen tatsächlich legale Schlupflöcher ausgenutzt. Auch in der breiten Öffentlichkeit stießen die Papiere - von Malta und Island abgesehen - auf weniger Interesse als von den Urhebern erhofft. Schon im November 2017 förderte eine YouGov-Umfrage zu den damals publizierten „Paradise Papers“ zutage, dass allein in Deutschland der Anteil derjenigen Befragten, die sich sehr oder eher stark für das Thema interessierten, seit April 2016 von 40 auf 31 Prozent gesunken war. Gleichzeitig stieg der Anteil derer, die legale Steuervermeidung für akzeptabel hielten, von 50 auf 58 Prozent.
Inwieweit die neuen Enthüllungen das Ergebnis der tschechischen Wahlen noch beeinflussen können, ist auch vor diesem Hintergrund ungewiss.