Sechs Wochen vor der geplanten Präsidentschaftswahl in Libyen will sich ein Sohn des getöteten früheren Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi als Kandidat aufstellen lassen. Saif al-Islam reichte seinen Antrag dafür am Sonntag in der südlichen Stadt Sabha ein, wie die Wahlkommission mitteilte. Diese veröffentlichte bei Facebook auch Fotos davon, wie Al-Islam an einem Schreibtisch die nötigen Dokumente ausfüllt. Er ist mit langem Bart und in traditionellem Gewand zu sehen. Al-Islam habe auch einen Wahlzettel erhalten.
Von Internationalem Strafgerichtshof gesucht
Al-Islam hatte in Libyen die brutale Niederschlagung von Protesten gegen seinen Vater im Jahr 2011 unterstützt. Ihm wurde vorgeworfen, im Rahmen der Aufstände zur Tötung friedlicher Demonstranten aufgerufen zu haben. Auf der Flucht wurde er dann von einer Miliz gefasst und kam in der westlibyschen Stadt Sintan in Haft. Dort verbrachte er nach eigener Aussage mehrere Jahre mit kaum Kontakt zur Außenwelt. Sonntag markierte seinen ersten öffentlichen Auftritt seit Jahren.
Seit 2014 fordert der Internationale Strafgerichtshof Al-Islams Auslieferung, um ihm wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Prozess zu machen. 2015 wurde er von einem Gericht in Tripolis in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Die Machthaber in Sintan ließen ihn aber weder nach Tripolis überstellen, noch lieferten sie ihn aus.
Durchführbarkeit der Wahlen noch ungewiss
Die Präsidentschaftswahl in Libyen ist für 24. Dezember geplant. Die Wahlkommission hatte vor einigen Tagen damit begonnen, Anträge möglicher Kandidaten zu sammeln. Zudem sind Hunderte Beobachter akkreditiert. Wegen anhaltender Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern ist aber unklar, ob die Wahl überhaupt stattfindet. Ein Streitpunkt ist der Zeitpunkt der Parlamentswahl, die eigentlich am selben Tag stattfinden sollte.
Über eine mögliche Kandidatur Al-Islams war seit Monaten spekuliert worden. Im Sommer hatte er sich zehn Jahre nach seiner Flucht und nach mehrjähriger Gefangenschaft mit einem Interview zurück in die Öffentlichkeit gewagt. Gegenüber der „New York Times“ hatte er angedeutet, möglicherweise für das Präsidentenamt zu kandidieren. Er zeigte sich dabei auch überzeugt, dass sich seine rechtlichen Probleme im Fall seiner Wahl ausräumen lassen würden.
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