von Ali Özkök
Die Türkei könnte in Zukunft eine zentrale Rolle bei der Wahrung von Sicherheit und Stabilität in Afghanistan spielen. Nach jüngsten Gesprächen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Türkei als Nato-Staat den Betrieb sowie die Bewachung des strategisch wichtigen Flughafens von Kabul übernehmen wird.
Um tatsächlich mehr Verantwortung übernehmen zu können, so Präsident Erdoğan vergangene Woche, brauche Ankara jedoch mehr Unterstützung von der Nato. Ankara könne die omnipräsente Bedrohung durch die Taliban nicht ignorieren. In einem Nato-Kommuniqué wurde Anfang des Monats versprochen, die Finanzierung des Flughafens aufrechtzuerhalten, womit eine türkische Bedingung erfüllt wurde.
Ankara wünscht sich jedoch auch logistische Unterstützung. Dazu zählten die Entsendung von Drohnen, Verteidigungsausrüstung und Truppen aus anderen verbündeten Ländern, wie das Nachrichtenportal „Middle East Eye“ am Montag berichtete.
Kooperation mit Ungarn und Pakistan
Konkret kann sich die Türkei laut dem türkischen Staatsoberhaupt auch eine Zusammenarbeit mit den Ländern Ungarn und Pakistan bei der Sicherung des Flughafens vorstellen. Für viele mag Pakistan wie ein vernünftiger Partner klingen. Islamabad unterhält als Nachbarland Afghanistans langjährige Beziehungen zu den Taliban.
Ungarn könnte wiederum aus technischer Sicht eine gute Ergänzung für die Mission sein. Beamte in Ankara weisen darauf hin, dass Ungarn bereits Erfahrung mit der Sicherung des Flughafens in Kabul durch seine Teilnahme an der Nato-Mission zwischen 2010 und 2013 hat. Seither übernahm das EU-Mitglied auch andere Missionen innerhalb der Anlage.
Afghanistans Außenminister Haneef Atmar begrüßte indes die Initiative der Türkei und drückte seine Unterstützung für eine türkische Präsenz auf dem Internationalen Flughafen von Kabul aus. „Die Sicherung des Flughafens durch die Türkei wird es Afghanistan ermöglichen, die hohen Kapazitäten des Flughafens in Kabul aufrechtzuerhalten, was für die weitere Präsenz der diplomatischen Gemeinschaft sowie für die weitere internationale Unterstützung der Regierung und des Volkes von Afghanistan wichtig ist“, zitierte das Nachrichtenportal „Daily Sabah“ den afghanischen Diplomaten Atmar am Sonntag.
USA signalisieren Unterstützung
Die Biden-Administration hat noch nicht entschieden, ob und gegebenenfalls wie sie Operationen gegen die Taliban nach dem Truppenabzug unterstützen oder durchführen will. Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, äußerte sich vergangene Woche bei einem Medien-Briefing jedoch zuversichtlich über eine Kooperation mit der Türkei.
„Präsident Erdoğan deutete an, dass er, wie Sie sagten, bestimmte Formen der Unterstützung benötigen würde, um das zu tun. Und Präsident Biden sagte zu, dass diese Unterstützung kommen würde“, erklärte Sullivan und wies darauf hin, dass beide Länder Teams beauftragt hätten, um „die letzten Details auszuarbeiten“.
Da die Mission, die Taliban zu besiegen, nach über 20 Jahren offensichtlich gescheitert ist, besteht die Gefahr, dass die Miliz erneut Großoffensiven vom Zaun brechen könnten. Ohne nachhaltige militärische und logistische Unterstützung könnten die afghanischen Regierungstruppen überrannt werden. Bereits heute befinden sich die Taliban in zahlreichen Provinzen des Landes auf dem Vormarsch.
Truppenabzug schafft Sicherheitsvakuum
Gegenüber TRT erklärte der Gründer der in Kabul ansässigen Denkfabrik „Institute of War and Peace Studies“, dass der westliche Truppenabzug bereits ein bedrohliches Sicherheitsvakuum in der Region geschaffen habe. „Von den 387 Bezirken in Afghanistan wird in 116 Bezirken des Landes gekämpft“, sagte der Analyst.
Spätestens am 11. September sollen rund 2300 bis 3500 verbliebene US-Truppen und etwa 7000 verbündete Nato-Kräfte den Hindukusch verlassen und damit ein fast 20-jähriges militärisches Engagement beenden.
Kabuler Flughafen – der Schlüssel in die Region
In dem gebirgigen Binnenland, in dem die Taliban immer mehr Territorien und auch politische Macht gewinnen, sind Autobahnen nicht sicher. Daher ist die Kontrolle von Flughäfen – insbesondere des internationalen Flughafens von Kabul – nicht nur für die Afghanen von entscheidender Bedeutung. Zugang aus der Luft ist für internationale Hilfslieferungen, den diplomatischen Austausch sowie die Wahrung von militärischer Unterstützung unabdingbar.
„Die Unterstützung der Türkei wird für die afghanische Regierung von entscheidender Bedeutung sein, um sich zu behaupten und den Taliban zu signalisieren, dass es keine militärische Übernahme geben wird und dass es für den Konflikt nur eine politische Lösung geben kann“, erläutert Najafizada. Als Nato-Mitglied und muslimisches Land könne die Türkei alle politischen Akteure zur Einigkeit in Kabul ermutigen.