Rätselhafter Absturz eines ukrainischen F-16-Kampfjets
Die Ukraine hat eines ihrer wenigen F-16-Kampfflugzeuge verloren. Die Umstände des Absturzes werfen brisante Fragen auf. Nach Angaben des Verteidigungsministers laufen die Untersuchungen.
Die Ukraine hat einen ihrer wenigen F-16-Kampfjets verloren. / Foto: Reuters (Others)

Mehr als eine Woche ist seit dem tragischen Absturz des F-16-Kampfjets und dem Tod des Piloten Oleksij Mes im Ukraine-Krieg vergangen. Seitdem gibt es zahlreiche Spekulationen über die Absturzursache. Die Vermutungen reichen von menschlichem Versagen bis hin zu einem möglichen „Friendly Fire“-Vorfall.

Nach dem Verlust des F-16-Kampfjets hat die ukrainische Luftwaffe eine neue Führung erhalten. Präsident Wolodymyr Selenskyj entließ den bisherigen Luftwaffenkommandeur Mykola Oleschtschuk. Obwohl offiziell kein Grund genannt wurde, lag der Zusammenhang mit dem Absturz des Kampfflugzeuges nahe. Bei dem Vorfall kam der ukrainische Pilot Oleksij Mes ums Leben. Kommissarisch wurde Anatolij Krywonoschko zum Kommandeur ernannt, wie der Generalstab mitteilte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Chef der Luftwaffe entlassen. / Foto: Reuters (Reuters)

Auf die Frage, ob die Entlassung mit dem Verlust des Kampfjets zusammenhänge, erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow: „Ich würde wahrscheinlich sagen, dass dies eine Rotation ist, aber es ist bedauerlich.“ Es handle sich dabei um zwei „unterschiedliche Angelegenheiten“. Umjerow betonte, dass die Untersuchung zur Ursache noch laufe.

Hat die Ukraine ihren eigenen Kampfjet abgeschossen?

Eine Abgeordnete des ukrainischen Parlaments behauptete, die Maschine sei wegen fehlender Koordination von einem ukrainischen Patriot-Flugabwehrsystem abgeschossen worden. Die stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des ukrainischen Parlaments, Mariana Besuhla, berief sich auf nicht genannte Quellen und forderte, dass die Verantwortlichen für die Panne bestraft werden.

Der abgesetzte Kommandeur Oleschtschuk wies diesen Vorwurf scharf zurück und warf Besuhla vor, die Luftwaffe zu verleumden und US-Waffenhersteller zu diskreditieren. Er äußerte die Hoffnung, dass Besuhla rechtliche Konsequenzen für ihre Aussagen zu befürchten habe. Die Luftwaffe bestritt aber nicht explizit, dass der Kampfjet durch eine Patriot-Rakete getroffen wurde.

Die Ukraine hatte erst kürzlich die ersten F-16-Kampfjets aus US-Produktion erhalten. Foto: Reuters (Reuters)

Mögliche Ursachen für den Absturz

Die ukrainischen Militärbehörden haben bisher keine Absturzursache bekanntgegeben – diese werde noch untersucht. Ein Abschuss durch russische Raketen gilt offenbar als unwahrscheinlich. Im Vordergrund stehen die Möglichkeiten eines technischen Versagens, eines Pilotenfehlers oder eines irrtümlichen Abschusses durch die eigene Flugabwehr.

Verteidigunsminister Umjerow versicherte, dass die Untersuchung in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, insbesondere den USA, fortgeführt werde. Am vergangenen Freitag traf er sich in Washington mit dem US-Verteidigungsminister Lloyd Austin.

Der Verlust des Kampfflugzeugs wird von westlichen Medien als schwerer Rückschlag bezeichnet, da die Ukraine nicht nur einen seiner erfahrensten Piloten, sondern auch eines ihrer wenigen Kampfflugzeuge verloren hat.

Es ist das erste Mal, dass die Ukraine den Verlust eines der zuvor lang erwarteten und gerade erst in den Dienst gestellten Kampfflugzeuge aus US-Produktion bekannt gab. Laut einem früheren Bericht der Zeitung Times of London verfügte das Land über sechs solcher Maschinen.

Neue Kampfjets aus Europa

Erst vor wenigen Wochen hatte die Ukraine sechs F-16-Kampfflugzeuge von den Niederlanden erhalten. Neben den Niederlanden hatte sich auch Dänemark zur Lieferung von F-16-Kampfjets verpflichtet. Insgesamt solle Kiew 60 Kampfjets erhalten, sagte Selenskyj. Bis Jahresende könnten etwa 20 Flugzeuge aus Norwegen und Belgien in die Ukraine geliefert werden. Laut dem ukrainischen Präsidenten benötigt die Ukraine etwa 130 Kampfflugzeuge, um die russische Luftüberlegenheit brechen zu können.

„Eigenbeschuss ist eine reale Gefahr“

Militärexperten sind der Ansicht, dass das Risiko von Eigenbeschuss besonders bei massiven Angriffen mit Raketen und Drohnen steigt.

„Es ist äußerst schwierig, in solchen Situationen Freund von Feind zu unterscheiden -besonders wenn Raketen im Einsatz sind“, sagte Mark Cancian, Experte für strategische und internationale Studien. Eigenbeschuss sei daher eine reale Gefahr. Solche Vorfälle könnten selbst bei Trainingsmissionen auftreten.

Die Ukraine setzt große Hoffnungen in die F-16-Kampfflugzeuge, die sowohl für defensive als auch offensive Einsätze besser gerüstet sind als die alten sowjetischen Jets. Laut Experten wird es jedoch noch einige Zeit dauern, bis eine ausreichende Anzahl an Flugzeugen geliefert und genügend Piloten ausgebildet sind, um das volle Potenzial der F-16 auszuschöpfen.

TRT Deutsch