Umfrage: Deutsche fürchten Eskalation des Ukraine-Kriegs
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen spricht sich für Friedensverhandlungen mit Russland aus. Ein Großteil der Wähler fast aller Parteien fordert zudem den Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine.
Der ukrainische Soldat Oleh von der 148. separaten Artilleriebrigade der Luftangriffstruppen bereitet 155-mm-Artilleriegranaten vor, bevor er auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Region Donezk feuert. / Photo: DPA (DPA)

Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland befürchtet einer Umfrage zufolge das Übergreifen des Ukraine-Kriegs auf Deutschland. Insgesamt 45 Prozent der Befragten gaben in einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Instituts Insa an, ein solches Szenario „sehr“ oder „eher“ zu fürchten. In Ostdeutschland lag der Anteil mit 55 Prozent deutlich höher, in Westdeutschland mit 37 Prozent niedriger. Auftraggeberinnen der Erhebung, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, sind BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht und die Publizistin Alice Schwarzer.

Ebenfalls 45 Prozent der bundesweit Befragten gaben in der Erhebung an, kein Übergreifen des Kriegs auf Deutschland zu befürchten. Insgesamt 43 Prozent der Befragten bejahten, dass es für sie bei der nächsten Bundestagswahl entscheidend sei, ob eine Partei Friedensverhandlungen mit Russland führen wolle oder nicht - 17 Prozent bezeichneten dies als „sehr“ wahlentscheidend, 26 Prozent als „eher“ wahlentscheidend.

Große Mehrheit für Friedensverhandlungen

Ganz generell ergab sich in der Umfrage eine große Mehrheit für Friedensverhandlungen mit Russland: 33 Prozent waren „absolut dafür“, 35 Prozent waren „eher dafür“. „Eher dagegen“ waren 13 Prozent, absolut dagegen waren nur sieben Prozent.

BSW-Chefin Wagenknecht wertete die Resultate der Umfrage als Misstrauensbeweis für die aktuelle Ukraine-Politik. „Die Ergebnisse zeigen, dass die drei Ampel-Parteien und die CDU Außenpolitik gegen die Bevölkerungsmehrheit machen“, sagte Wagenknecht zu AFP. Eine Kurskorrektur sei überfällig: „Die Außenpolitik von Scholz bis Merz hat keinen demokratischen Rückhalt.“

Wagenknecht und Schwarzer ließen in der Erhebung, die sie als Privatpersonen in Auftrag gegeben hatten, auch ein konkretes Szenario abfragen: Die Frage lautete, ob die westlichen Länder Russland anbieten sollten, im Gegenzug zu einem Waffenstillstand und der Aufnahme von Friedensgesprächen auf weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu verzichten.

Insgesamt 65 Prozent der Befragten sprachen sich für ein solches Szenario aus (34 Prozent fanden es „sehr gut“, 31 Prozent fanden es „eher gut"). 20 Prozent waren dagegen: Zwölf Prozent fanden es „eher falsch“, acht Prozent fanden es „sehr falsch“.

Koalition gegen Stopp von Waffenlieferungen an Ukraine

Die Bundesregierung - und die sie tragenden Parteien - lehnen ein solches Szenario ab. Sie argumentieren, dass die Ukraine Friedensverhandlungen mit Russland sinnvollerweise nur aus einer Position der Stärke heraus führen kann und dass dafür die Fähigkeit der Ukraine zur Selbstverteidigung auch mit westlichen Waffen nötig sei.

Ein Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine würde nach Einschätzung der Bundesregierung lediglich zu einem „Diktatfrieden“ zu Lasten der angegriffenen Ukraine führen. Die Bundesregierung argumentiert zudem, dass Russland als Voraussetzung für Friedensverhandlungen weitere Gebietsabtretungen durch die Ukraine fordert, was nicht annehmbar sei.

In der Fragestellung der Wagenknecht/Schwarzer-Umfrage kamen diese Argumente nicht zur Sprache. In dem abgefragten Szenario - Friedensverhandlungen gegen Stopp der Waffenlieferungen ohne Nennung möglicher Risiken - ergab sich bei den Anhängerinnen und Anhängern aller Parteien eine Mehrheit, mit Ausnahme der Grünen.

Am größten fiel die Zustimmung in der Anhängerschaft von AfD (86 Prozent) und BSW (83 Prozent) aus. Es folgten FDP (74 Prozent), Union (60 Prozent), Linke (59 Prozent), SPD (58 Prozent) und Grüne (42 Prozent).

Die Forderung nach Friedensverhandlungen mit Russland spielt eine wichtige Rolle im Wahlkampf des BSW in Ostdeutschland. Kritiker werfen Wagenknecht vor, eine einseitig Kreml-nahe Politik zu vertreten.

Für die Erhebung befragte Insa nach eigenen Angaben zwischen dem 2. und 5. August insgesamt 2002 Menschen über 18 Jahre.

AFP