Die Aktivitäten der Menschheit schwächen die Belastungsfähigkeit des Planeten und bringen ihn weit in den Gefahrenbereich: Sechs von neun Belastungsgrenzen, die zusammen einen sicheren Handlungsraum für die Menschheit definieren, sind überschritten, wie eine am Mittwoch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) veröffentlichte Studie ergab. Die Umweltschutzorganisation WWF sprach angesichts der Studienergebnisse von sechs „läutenden Alarmglocken“ und forderte Deutschland zum stärkeren Handeln auf.
Die Wissenschaftler quantifizierten zum ersten Mal alle neun planetaren Belastungsgrenzen und konnten den Angaben zufolge damit einen detaillierten Überblick über die schwindende Widerstandsfähigkeit der Erde geben.
Die sechs überschrittenen planetaren Grenzen betreffen der Studie zufolge die globale Erwärmung, Biosphäre, Entwaldung, Schadstoffe beziehungsweise Plastik, Stickstoffkreisläufe und Süßwasser. Auch nach dem Überschreiten der Belastungsgrenzen wachse der Druck globaler Prozesse auf diese Grenzen weiter, hieß es in der Studie, die in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht wurde.
„Dieses Generalupdate der planetaren Grenzen zeigt deutlich - die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht“, erklärte der zu den Autoren der Studie zählende PIK-Direktor Johan Rockström. Es sei unklar, wie lange entscheidende Grenzen derart überschritten werden könnten, bevor die Auswirkungen zu unumkehrbaren Veränderungen und Schäden führten.
Den Angaben zufolge ist eine Grenzüberschreitung zwar nicht gleichbedeutend mit drastischen Veränderungen, die sofort sichtbar werden. Sie markiere jedoch eine kritische Schwelle für erheblich steigende Risiken.
„Wir können uns die Erde als einen menschlichen Körper vorstellen und die planetaren Grenzen als eine Form des Blutdrucks“, erklärte Hauptautorin Katherine Richardson von der Universität Kopenhagen. „Ein Blutdruck von über 120 zu 80 bedeutet zwar nicht, dass ein sofortiger Herzinfarkt droht, aber er erhöht das Risiko.“ Deshalb werde daran gearbeitet, den Blutdruck zu senken.
Hergestellte Chemikalien bedrohen das Leben
Erstmals sei für die Studie die Grenze für sogenannte Novel Entities - das Einbringen neuartiger Stoffe - quantifiziert worden. Die Bewertung zeige, dass sie überschritten sei. Novel Entities umfassen demnach den Eintrag aller neuartigen, vom Menschen erzeugten chemischen Verbindungen in die Umwelt wie Mikroplastik, Pestizide oder Atommüll.
Weiterhin seien erstmals wissenschaftliche Belege für die Quantifizierung der Grenze für die Aerosolbelastung der Atmosphäre ausgewertet worden. Diese Grenze sei noch nicht überschritten, allerdings könne es regional zu Überschreitungen kommen.
„Unser Hunger nach Ressourcen treibt die Erde über ihre Belastungsgrenzen“
Der WWF Deutschland zeigte sich angesichts der Ergebnisse der Studie alarmiert und rief die Bundesrepublik dazu auf, entschlossener zu handeln. „Unser Hunger nach Ressourcen treibt die Erde über ihre Belastungsgrenzen“, erklärte Florian Titze von der Umweltschutzorganisation. „Wie sehr wir bereits über das Limit gegangen sind, zeigen uns die eskalierende Klimakrise und das rapide Artensterben.“
Die Lösungen, um wieder innerhalb der planetaren Grenzen zu handeln, seien mit erneuerbaren Energien, Kreislaufwirtschaft, einem nachhaltigen Ernährungssystem und einem besseren Schutz von Ökosystemen bekannt. „Deutschland als erfolgreiche Industrienation muss sich endlich an die Spitze der ökologischen Transformation und einer zukunftsfähigen Wirtschaft setzen.“