UN-Generalsekretär António Guterres warnt vor einer Ausweitung des Gaza-Krieges. „Das libanesische Volk, das israelische Volk und die Menschen auf der ganzen Welt können es sich nicht leisten, dass der Libanon zu einem zweiten Gaza wird“, sagte Guterres zum Auftakt der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York. Der Libanon stehe am Abgrund. Der Gaza-Krieg sei ein „unaufhörlicher Albtraum“, der die gesamte Region mit sich zu reißen drohe.
Seit Montag wurden bei israelischen Luftangriffen nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mehr als 585 Menschen im Libanon getötet - darunter auch Dutzende Frauen und Kinder. Die Angst vor einem umfassenden Krieg wird immer größer.
Guterres, der mehrfach deutliche Kritik an der Kriegsführung des israelischen Militärs im Gazastreifen geübt hat, befürchtet nun offensichtlich ein ähnliches Vorgehen im Libanon. „Die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Tötens und der Zerstörung in Gaza sind in meinen Jahren als Generalsekretär unvergleichbar“, sagte Guterres weiter.
Israelischer Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem Vergeltungsschlag der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober einen Vernichtungskrieg in Gaza gestartet. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bislang Zehntausende Zivilisten getötet.
Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. Doch auch dort sind sie israelischen Angriffen ausgesetzt. Zudem herrscht eine akute Hungerkrise, die Hungertote fordert.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr als 41.226 Menschen getötet und mehr als doppelt so viele verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Beim Großteil der Todesopfer handelt es sich laut örtlichen Berichten um Frauen und Kinder.
Guterres: „Welt der Straflosigkeit“
Guterres prangerte an, dass viele Regierungen ohne Kontrolle tun könnten, was immer sie wollten, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. „Sie können ein anderes Land überfallen, ganze Gesellschaften verwüsten oder das Wohlergehen ihres eigenen Volkes völlig missachten“, so Guterres. In einer „Welt der Straflosigkeit“ seien die Grundlagen des Völkerrechts und der UN-Charta bedroht. Politisch sei das nicht vertretbar und moralisch unerträglich.
Israels Angriffe auf den Libanon
Der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon hat sich deutlich zugespitzt, nachdem vergangene Woche hunderte von Israel präparierte Pager und Walkie-Talkies der Hisbollah-Miliz gleichzeitig explodierten. Bei den in zwei Wellen erfolgten Explosionen der Geräte wurden mindestens 37 Menschen getötet, darunter auch Kinder. Fast 3000 Personen wurden verletzt.
Nach Angaben der libanesischen Gesundheitsbehörden wurden zudem bei israelischen Luftangriffen seit vergangener Woche mindestens 585 Menschen getötet, darunter 50 Kinder.
Seit Beginn des israelischen Vernichtungskrieges in Gaza am 7. Oktober vergangenen Jahres griff die israelische Luftwaffe auch immer wieder den Süden des Libanon an. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg im Jahr 2006.
Im Libanon haben tausende Menschen in den vergangenen zehn Monaten aufgrund der anhaltenden Attacken Israels ihr Zuhause verlassen müssen. Wegen der zunehmenden israelischen Angriffe im libanesisch-israelischen Grenzgebiet seit Beginn des Gaza-Kriegs wurden im Libanon mehr 111.696 Menschen vertrieben, insbesondere im Süden, hieß es in einem im September veröffentlichten Bericht der UN-Organisation für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA).