Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat im Gaza-Krieg israelische Kriegsverbrechen und Anzeichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit festgestellt. Die palästinensische Organisation Hamas hatte am 7. Oktober einen Vergeltungsschlag durchgeführt, den Israel als Vorwand für einen Vernichtungskrieg im Gazastreifen nutzt. Zu Israel sagte Türk der Deutschen Presse-Agentur in Genf: „Wenn man sich anschaut, wie Israel darauf reagiert hat, da habe ich schwere Bedenken, was die Einhaltung sowohl der Menschenrechte als auch des internationalen humanitären Rechts betrifft.“
Türk rief Deutschland und andere Staaten auf, von Israel die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu fordern und die Vereinten Nationen gegen massive Kritik auch aus israelischen Regierungskrisen klar zu verteidigen.
Bei den schweren israelischen Bombardierungen seien 70 Prozent der betroffenen Palästinenser Frauen und Minderjährige. „Man kann davon ausgehen, dass der Großteil von denen, die getroffen worden sind, Zivilisten sind“, sagte der Österreicher der dpa. „Darüber hinaus ist eine kollektive Bestrafung der Palästinenser ein Kriegsverbrechen. Natürlich müssen letztlich Gerichte beurteilen, wer welche Straftaten begangen hat.“
Ob es dort Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt, sei schwer zu beurteilen. Damit sind zum Beispiel großangelegte oder systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gemeint. Um das zu beurteilen, müsse auch untersucht werden, ob dahinter eine entsprechende Absicht stehe. Nach Angaben von Türk gibt es Anzeichen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sein könnten: „Angesichts der unverhältnismäßigen und sehr schweren Bombardierungen, in Kombination mit dem Mangel an wirksamer humanitärer Hilfe gibt es schwere Bedenken, die näher geprüft werden müssen.“
Das UN-Menschenrechtsbüro, das Türk leitet, verlangt die Übergabe der festgehaltenen Israelis, ein Ende der Angriffe seitens der Hamas, ein Ende der massiven israelischen Bombardierungen sowie ausreichenden Zugang für humanitäre Hilfe. Israel lässt nur eine sehr begrenzte Anzahl von Lastwagen in das Gebiet, und humanitäre Organisationen sagen, eine systematische Verteilung sei wegen der dauernden Bombenangriffe nicht möglich.
Sein Büro dokumentiere Menschenrechtsverletzungen, die bei künftigen Prozessen relevant werden dürften, sagte Türk. Das ändere zwar nicht die Situation während der Kriegshandlungen. „Aber es gibt auch eine Zeit danach“, sagte der Menschenrechtskommissar. Er sei mit allen, die Einfluss auf die Kriegsparteien haben, im Gespräch, darunter mit den USA, europäischen Staaten, Ägypten, Jordanien, Katar und dem Iran.
Israel habe den Kontakt zu seinem Büro 2020 auf Eis gelegt. Das geht zurück auf eine vom UN-Menschenrechtsrat verlangte und seinerzeit veröffentlichte Liste mit Firmen, die am Bau illegaler israelischer Siedlungen in besetzten palästinensischen Gebieten beteiligt sind.
Vernichtungskrieg in Gaza
Erklärtes Ziel der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bislang Tausende Zivilisten getötet.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza bisher fast 22.000 Menschen durch die Angriffe Israels getötet. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können.