Der Attentäter von Halle ist wegen Geiselnahme im Gefängnis Burg zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Er habe sich der Geiselnahme, des unerlaubten Führens und des Herstellens einer Schusswaffe schuldig gemacht, entschied das Landgericht Stendal am Dienstag. Zudem muss der 32-Jährige an zwei Justizvollzugsbedienstete, die er in seine Gewalt brachte, Schmerzensgeld und an einen von ihnen Verdienstausfall zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Lebenslang für Anschlag auf Synagoge
Wegen des rassistischen und antisemitischen Anschlags nahe der Synagoge in Halle war der 32 Jahre alte Stephan Balliet bereits 2020 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Praktische Auswirkungen wird das neue Urteil daher zunächst nicht haben.
Am 9. Oktober 2019, dem jüdischen Feiertag Jom Kippur, hatte er versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als es ihm nicht gelang, ermordete er nahe der Synagoge zwei Menschen.
Der Angeklagte folgte der Urteilsbegründung aufmerksam. Weitgehend wirkte er emotionslos, teils hatte er ein Lächeln im Gesicht. Weil er als gefährlich gilt, saßen hinter ihm vier maskierte Spezialkräfte der Justiz. Der Prozess fand in Magdeburg in einem Hochsicherheitssaal statt.
Gericht: Angeklagter psychisch schwer gestörter Mensch
Die Vorsitzende Richterin Simone Henze-von Staden sprach von erheblicher krimineller Energie des Angeklagten, der in der Haft aus diversen Alltagsgegenständen einen Schussapparat gebastelt hatte. Nacheinander nahm er zwei Bedienstete als Geiseln. Als er am 12. Dezember 2022 zur Nacht in seiner Zelle eingeschlossen werden sollte, forderte er von einem Bediensteten, ihm Türen und Tore Richtung Freiheit zu öffnen. Der Häftling sei als gefährlich bekannt gewesen und habe zu schießen gedroht. Er habe auch im Countdown heruntergezählt sowie einen Warnschuss abgegeben. Die Tat habe er schließlich beendet, als klar geworden sei, dass sich die Tore Richtung Freiheit schließlich doch nicht öffnen würden.
Die Vorsitzende Richterin verwies in der Urteilsbegründung am Dienstag auf ein Gutachten, das zu dem Schluss kam, dass der 32-Jährige ein psychisch schwer gestörter Mensch sei. Er habe sich im Prozess empathielos gezeigt und lediglich größeres Interesse an den Kameramitschnitten der JVA gehabt, so die Richterin. Zudem habe er deutlich gemacht, dass er sein Ziel, in Freiheit zu gelangen, nicht aufgegeben habe.
Die beiden Geiseln seien zwar nicht körperlich verletzt worden. Sie hätten aber psychische Schäden erlitten, sagte die Vorsitzende Richterin. Eine Geisel soll 8000 Euro Schmerzensgeld erhalten, die andere 15.000 Euro sowie 2262 Euro Verdienstausfall. Die Vorsitzende Richterin betonte, den beiden Männern sei keine Mitschuld an der Geiselnahme zuzurechnen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hatte in dem Prozess eine neunjährige Haftstrafe für den 32-Jährigen gefordert sowie eine anschließende Sicherungsverwahrung. Der Verteidiger verzichtete in seinem Plädoyer darauf, ein Strafmaß zu fordern. Das Gericht verhängte in seinem Urteil vom Dienstag keine Sicherungsverwahrung.
Der Angeklagte befinde sich ohnehin in zeitlich unbeschränkter Haft, eine anschließende Sicherungsverwahrung wurde bereits im ersten Urteil angeordnet. Dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit sei damit nachgekommen. Bei der Sicherungsverwahrung bekommen die weiter als gefährlich eingestuften Straftäter mehr Platz und größere Freiheiten als in Haft. Die Gesellschaft wird aber weiterhin vor ihnen geschützt.
Balliet hat nach der Geiselnahme in verschiedenen Gefängnissen gesessen. Kurz nach der Tat war er aus der JVA Burg ins bayerische Augsburg ausgeflogen worden, im Juni 2023 wurde er in die JVA Wolfenbüttel verlegt. Kurz vor Beginn des Prozesses wurde der 32-Jährige wieder nach Sachsen-Anhalt gebracht, in die Jugendanstalt Raßnitz. Von dort aus wurde er zu den vier Verhandlungstagen nach Magdeburg geflogen.
Im Gefängnis sollen sich bei Balliet stille Phasen, in denen der 32-Jährige nicht spricht und sich kaum bewegt, abwechseln mit plötzlichen Ausbrüchen. Es soll so gut wie keine Kommunikation zwischen dem Gefangenen und den Bediensteten des Strafvollzugs, Psychiatern, Sozialarbeitern und Ärzten geben. Er gilt als nicht behandlungsfähig und nicht behandlungsbereit.