„Der junge Häuptling Winnetou“ sorgt dieser Tage für ordentlich Aufsehen und erhitzte Gemüter - vor allem in den Sozialen Medien. Der Grund: Die Firma Ravensburger hatte entschieden, mehrere Kinderbücher wegen Rassismus-Vorwürfen aus dem Verkauf zu nehmen. Hunderte Instagram-Nutzer äußerten daraufhin ihr Unverständnis und bezichtigten die Firma der Zensur oder des Einknickens. Daneben gab es auch Unterstützung für die Entscheidung.
Die vor allem für ihre Spiele und Puzzle bekannte Firma aus Ravensburg hatte Mitte August angekündigt, die Auslieferung der beiden Bücher „Der junge Häuptling Winnetou“ zu stoppen und aus dem Programm zu nehmen. In einem Instagram-Post begründete die Firma dies mit dem Feedback der Nutzer, das gezeigt habe, „dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben“.
Ein Sprecher von Ravensburger teilte am Montag auf Anfrage mit, man habe die Entscheidung sorgfältig abgewogen. Bei den genannten Winnetou-Titeln sei man nach Abwägung verschiedener Argumente zu der Überzeugung gelangt, dass angesichts der geschichtlichen Wirklichkeit, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, hier ein „romantisierendes Bild mit vielen Klischees“ gezeichnet werde. Die Kritik hatte sich zunächst allem an der gleichnamigen Verfilmung entbrannt, weil der Film rassistische Vorurteile bediene und eine kolonialistische Erzählweise nutze. Der Film kam am 11. August in die Kinos.
Was ist kulturelle Aneignung?
Immer wieder ist in der aktuellen Debatten auch von kultureller Aneignung die Rede. Auch Ravensburger selbst spricht davon in seinem Instagram-Post: „Unsere Redakteur*innen beschäftigen sich intensiv mit Themen wie Diversität oder kultureller Aneignung“, heißt es dort. Aber was ist das eigentlich?
Mit kultureller Aneignung ist gemeint, dass Menschen sich einer Kultur bedienen, die nicht ihre eigene ist, zum Beispiel durch Musik oder Bekleidung. Kritisiert wird vor allem, wenn Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft sich einzelner Elemente der Kultur einer Minderheit bemächtigen, sie kommerzialisieren und aus dem Zusammenhang reißen.
Jüngstes Beispiel: In Bern wurde ein Konzert der Band Lauwarm abgebrochen, weil sich einige Besucher daran störten, dass sie jamaikanische Musik spielte und die weißen Mitglieder der Band teils afrikanische Kleidung und Dreadlocks trugen. Zuvor hatte die Bewegung Fridays for Future die weiße Musikerin Ronja Maltzahn, die bei einer Demonstration in Hannover auftreten sollte, wegen ihrer Dreadlocks ausgeladen.
In den USA tobt die Aneignungsdebatte seit Jahren
Während die Debatte im deutschsprachigen Raum noch relativ neu ist, tobt sie in den USA schon seit Jahren. Die US-Juristin Susan Scafidi schreibt in ihrem Buch „Who Owns Culture?“ aus dem Jahr 2005: „Kulturelle Aneignung, das ist: Wenn man sich bei dem intellektuellen Eigentum, dem traditionellen Wissen, den kulturellen Ausdrücken oder Artefakten von jemand anderem bedient, um damit den eigenen Geschmack zu bedienen, die eigene Individualität auszudrücken oder schlichtweg: um daraus Profit zu schlagen.“
In Mexiko gibt es nun sogar ein Gesetz, um das zu verhindern. Wer kulturelles Erbe ohne Zustimmung reproduziert, kopiert oder imitiert, kann künftig mit hohen Geldstrafen oder sogar bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Dadurch soll das kollektive geistige Eigentum der Urvölker geschützt werden, was international nicht einfach durchzusetzen ist. Luxusmodemarken wie Carolina Herrera und Louis Vuitton sowie globale Fast-Fashion-Ketten hatten zuvor mehrmals die Muster indigener Textilien für ihre Produkte kopiert – ohne Absprache mit den Gemeinden und ohne Zahlung.
Kulturelle Aneignung: Ravensburger nimmt Winnetou aus dem Verkauf
23 Aug. 2022
Das Buch „Der junge Häuptling Winnetou“ sorgt dieser Tage für Aufsehen. Grund dafür sind Rassismus-Vorwürfe gegen einige Kinderbücher aus dem Ravensburger Verlag. Immer wieder ist auch von kultureller Aneignung die Rede. Doch was genau bedeutet das?
DPA
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