Göring-Eckardt: AfD könnte im Osten Justiz lahmlegen
Bei den Wahlen in Ostdeutschland wird die AfD voraussichtlich keine Mehrheit erlangen. Dennoch könnte die rechte Partei den Rechtsstaat blockieren, warnt Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt.
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis90/Die Grünen), Bundestagsvizepräsidentin, spricht im Bundestag. / Photo: DPA (DPA)

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt befürchtet, dass die AfD nach Wahlerfolgen in Ostdeutschland wichtige Entscheidungen blockieren und die Justiz lahmlegen könnte. So könnte es kommen, wenn die Rechtsaußenpartei ein Drittel der Mandate im Landesparlament bekäme, eine sogenannte Sperrminorität, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Sie bezog dies insbesondere auf ihr Heimatland Thüringen. „Vom Wahlausgang in Thüringen hängt für die Demokratie viel ab.“

In Thüringen wird im September ein neuer Landtag gewählt, ebenso wie in Sachsen und Brandenburg. Die AfD ist in allen drei Ländern in Umfragen die Nummer eins. Während sie in Brandenburg zuletzt bei um die 24 Prozent lag, waren es in Thüringen und Sachsen um die 30 Prozent. Eine Sperrminorität von einem Drittel der Landtagsmandate ist bei solchen Werten denkbar, wenn mehrere kleine Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. In Thüringen könnte das die Grünen treffen, die derzeit in Umfragen bei etwa vier Prozent liegen, aber auch die FDP.

Im Blick: der Richterwahlausschuss

„Je weniger Parteien im Landtag sind, desto mehr Stühle kann die AfD dort besetzen“, sagte Göring-Eckardt. „Die Grünen im Parlament sind die Absicherung gegen Rechtsaußen.“ Wichtig sei dies zum Beispiel für die Justiz. „Die Justiz steht in Thüringen 35 Jahre nach der friedlichen Revolution vor einem Generationenwechsel. Viele Richter und Staatsanwälte gehen in den kommenden Jahren in Pension.“

Über die Nachfolge entscheide der Richterwahlausschuss, der zum Großteil vom Landtag bestimmt werde, und zwar mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Mit einer Sperrminorität könne die AfD Nachbesetzungen verhindern. „Dann kann der Rechtsstaat nicht mehr richtig funktionieren“, sagte Göring-Eckardt. „Das ist kein abstraktes Problem, sondern kann jede Thüringerin und Thüringer betreffen.“ Auch für eine Auflösung des Landtags ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.

Die AfD führe in Thüringen einen „Wahlkampf der Selbstverharmlosung mit netten Plakaten und Sprüchen“, meinte die Grünen-Politikerin. „Aber die Absicht der AfD ist genau die: eine Destabilisierung der Demokratie und des Rechtsstaats. Es geht bei der Wahl darum, ob die freiheitliche demokratische Grundordnung in den nächsten Jahren Bestand haben wird.“

Vorwürfe einer Cancel Culture „geschichtsvergessen“

Die Grünen haben nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen und Brandenburg schwache Umfragewerte. Im Wahlkampf attackieren vor allem die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht grüne Klimaschutzprojekte wie den Ausbau von Ökostrom, den Umstieg auf Wärmepumpen zum Heizen und die Abkehr von Autos mit Verbrenner.

Dazu sagte Göring-Eckardt: „Auch wenn BSW und AfD gegen Klimaschutz polemisieren: Wir werden das Thema weiter in den Mittelpunkt stellen.“ Sie verstehe, dass Umbrüche den Menschen Stress machten. Aber: „Zu versprechen, es müsse sich nie mehr irgendwas ändern, ist ein großer Schwindel.“

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht wirft den Grünen vor, Haupttreiber einer „autoritären Cancel Culture“ zu sein, die „totalitäre Züge“ trage. Das wies Göring-Eckardt zurück: „Die Vorwürfe einer neuen Diktatur oder Cancel Culture sind völlig geschichtsvergessen. Man kann in unserem Land heute doch alles sagen, aber man muss eben damit rechnen, dass jemand anderes eine andere Meinung hat. Vor 40 Jahren ging das in Thüringen nicht. Da haben wir ständig riskiert, ins Gefängnis zu kommen.“

DPA