Die türkische Ensar-Stiftung sieht sich einer Hetzkampagne mit islamfeindlichen Motiven ausgesetzt. Die Opfer eines Missbrauchsfalls würden instrumentalisiert, um den Namen der Stiftung in den Schmutz zu ziehen, kritisiert Ensar-Präsident Cenk Dilberoğlu. Die Ensar-Stiftung geriet zuletzt nach einer Anfrage der Linken-Politikerin Ulla Jelpke an die Bundesregierung in die Schlagzeilen.
Darin wird nach der Höhe und Verwendung der Spendengelder an den Türkischen Roten Halbmond (Kızılay) zur Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei gefragt. Dabei geht es auch um eine mögliche Kooperation mit türkischen Stiftungen unter dem Schirm von Ensar.
Ein Wohnheim der Ensar-Stiftung war in Vergangenheit im Zusammenhang mit einem Missbrauchsfall in die Schlagzeilen geraten. Der Täter, ein Ex-Lehrer in der Provinz Karaman, wurde 2016 zu 508 Jahren Haft verurteilt.
Ensar-Stiftung sieht sich mit Schmutzkampagne konfrontiert
In Bezug auf den 2016 aufgedeckten Missbrauchsfall stellte Dilberoğlu klar, dass die Stiftung mit dem Täter, der von 2012 bis 2015 aktiv war, lediglich sechs Monate in Verbindung gestanden habe. Auch gehe es um zehn Kinder im Wohnheim, nicht um 45, wie durch die oppositionelle Zeitung „Birgün“ behauptet worden sei. Diese und andere Aspekte würden bei der medialen Aufarbeitung des Falls nicht beachtet.
Die Ensar-Stiftung habe von Anfang an alle Erkenntnisse offengelegt und in verschiedenen TV-Sendungen die Öffentlichkeit aufgeklärt. Die gesamte Stiftung wegen der Tat eines Pädophilen zu brandmarken, sei nicht richtig. Dilberoğlu appellierte an die deutschen Medien, bei der Ensar-Stiftung Informationen aus erster Hand einzuholen. So könne man verhindern, dass die Öffentlichkeit durch Falschinformationen manipuliert werde.
Der Ensar-Präsident vermutet eine bewusste Schmutzkampagne gegen die muslimische Stiftung und damit auch gegen den Islam. Die Opfer würden durch islamfeindliche Kreise instrumentalisiert, um die Muslime ins falsche Licht zu rücken. „Es ist der Versuch, die Muslime als Vergewaltiger, Terroristen und korrupte Menschen (…) darzustellen.“
Auch fehle der Behauptung, die Ensar-Stiftung übe zu ihrem Gunsten Einfluss auf die Justiz aus, jede Grundlage, sagte Dilberoğlu. Das bewiesen zahlreiche erfolglose Anzeigen der Stiftung gegen Personen, die Verleumdung und Hetze betrieben, fügte er hinzu. Die Ensar-Webseite sei zwischenzeitlich sogar durch Hacker der Terrororganisationen PKK und der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) lahmgelegt worden.
Was Aktivitäten in Deutschland angehe, sei weder Ensar noch die Auslandsvertretung Turken in Deutschland aktiv. Es gebe jedoch schon länger Bedarf aufgrund zahlreicher türkischer Stipendiaten in Deutschland. In England und in den USA gehe man mit gutem Beispiel voran.
Die vom islamischen Wohltätigkeitsprinzip geprägte Ensar-Stiftung unterstütze bereits seit 40 Jahren Schüler und Studenten in der Türkei mit Stipendien, Unterkünften und Verpflegung, so Dilberoğlu.Landesweit seien 6000 Studenten in 61 Wohnheimen untergebracht. 25.000 Schülern aus islamisch-theologischen Fachgymnasien (Imam-Hatip-Schulen) werde täglich warmes Mittagsessen serviert.
Die Rückmeldungen von Inanspruchnehmern seien durchweg positiv. Das bestätigten unter anderem Umfragen und die bis zu 97 Prozent belegten Wohnheimplätze, sagte Dilberoğlu. Finanziert werde die Stiftung durch Einkünfte aus Immobilienvermietungen, Projektfonds, Sponsoren und Spendengeldern von Wohltätern.
Türkischer Roter Halbmond verwaltet Spenden für Flüchtlinge
Die Bundesregierung wies in der Antwort vom 30.4. an die Linksfraktion darauf hin, dass es keine Kooperation mit der Ensar-Stiftung gebe. Zudem wurden die Hilfsgelder für die Flüchtlinge in der Türkei offengelegt.
Daraus geht hervor, dass Kızılay im Rahmen der Zusammenarbeit 463.844 Euro erhielt. Die Spendengelder sind demnach ausschließlich „zur Unterstützung von Flüchtlingen und aufnehmender Gemeinden in der Türkei“ vorgesehen und dürfen nicht an Dritte weitergeleitet werden. Der Geldverkehr und die Ausgaben würden daher durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) kontrolliert. Bisher habe es keine Beanstandungen gegeben. Eine direkte oder indirekte Zusammenarbeit mit der Ensar-Stiftung finde nicht statt.
Darüber hinaus flossen Kızılay durch zwei unterschiedliche Geldtransferprogramme der EU-Fazilität für syrische Flüchtlinge in der Türkei (FRiT) rund 1,6 Milliarden Euro zu, wie aus der Antwort hervorgeht. Das Geld sei „für bedürftige Haushalte zur Deckung von Grundbedürfnissen und zur Sicherstellung des Schulbesuchs von Kindern bestimmt. Die Spenden würden über das Welternährungsprogramm und seit März 2020 über UNICEF sowie die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung an Kızılay weitergeleitet. Das Geld wandere von dort über die türkische Halkbank an die Empfänger. Die EU finanziere außerdem eine Maßnahme des „Danish Refugee Council“, in der auch der Türkische Rote Halbmond implementiert sei. Bisher seien rund 32,4 Millionen Euro abgerufen worden.