Rechtsextreme Parteien gewinnen junge Wähler in Europa
Die Europawahl zeigt einen Trend: Mehr junge Menschen in Deutschland und Europa unterstützen rechtsextreme Parteien. Ihre Wahlentscheidung wird durch Krisen im Land und soziale Medien maßgeblich beeinflusst.
AfD / Photo: DPA (DPA)

Bei der Europawahl gewann nicht nur die AfD mehr jugendliche Wähler: Von Polen bis Spanien konnten Rechtsextreme diesmal bei jungen Erwachsenen punkten - eine Generation, die mit ständigen Krisen und sozialen Medien wie Tiktok und Youtube aufgewachsen ist. Dies deutet in weiten Teilen Europas eine Trendwende zur letzten Europawahl 2019 an, als der Klimawandel ganz oben auf der Agenda junger Menschen stand. Damals war noch von einer „Generation Greta“ gesprochen worden - nach der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Jetzt hinterlassen offenbar eher Pandemie, Migration, Ukraine-Krieg und die Inflation ihre Spuren. „Rechts“ gilt teilweise als subversive Gegenkultur. Angesprochen werden laut Experten vor allem junge Männer, die sich vom Mainstream zurückgelassen und zensiert fühlen.

Die Situation in Deutschland

In Deutschland schnellte laut Meinungsforschungsinstitut infratest dimap die AfD bei den 16- bis 24-Jährigen auf 16 Prozent nach oben - elf Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2019. Nur die Union war mit 17 Prozent noch stärker in dieser Altersgruppe. Auffallend sind dabei zwei Dinge: Der Anteil der männlichen AfD-Wähler unter 25 Jahren stieg um 14 Prozentpunkte - der der Frauen um sieben. Und der klare Schwerpunkt liegt in Ostdeutschland: 36,8 Prozent der Männer im Osten wählten AfD - im Westen waren es 19,4 Prozent. Bei den Frauen gibt es ebenfalls deutliche Abweichungen: 23,9 Prozent im Osten und 9,4 Prozent im Westen machten ihr Kreuz bei der rechtspopulistischen Partei.

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter der deutschen Jugend zeigte: Junge Menschen machen sich zunehmend Sorgen über Inflation, teuren Wohnraum und soziale Spaltung, und weniger über den Klimawandel. „Sie haben nicht mehr das Gefühl, dass die Zukunft besser wird, wenn sie nur hart arbeiten, und sind von den Parteien an der Macht enttäuscht“, sagt der Hauptautor der Studie, Simon Schnetzer. Diese empfundene Chancenlosigkeit mache sie empfänglicher für die Anti-Migrations-Rhetorik der AfD. Dazu kommen offenbar negative Migrationserfahrungen. So geben AfD-Wähler an, dass sie jüngere Einwanderer in Deutschland als gewaltbereiter und integrationsunwilliger empfänden.

Ähnlicher Trend in anderen EU-Ländern

Auch in Frankreich wuchs der Anteil der jungen Erwachsenen, die rechts wählen, stärker als in der gesamten wahlberechtigten Bevölkerung: Das rechtsextreme Rassemblement National (RN) erreichte nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Ipsos bei den 18- bis 24-Jährigen einen Stimmenanteil von 25 Prozent, ein Plus von zehn Prozentpunkten. Insgesamt legte die Partei um acht Prozentpunkte auf 31,4 Prozent zu.

In Polen stieg die Unterstützung für die rechtsextreme Konföderation unter den 18- bis 29-Jährigen von 18,5 auf 30,1 Prozent, womit sie in dieser Bevölkerungsgruppe die führende Partei ist.

In Spanien holte der Social-Media-Influencer Alvise Perez 6,7 Prozent der Stimmen bei den jungen Wählern, verglichen mit 4,6 Prozent bei der Gesamtbevölkerung. Er hatte seine Anti-Einwanderungs- und Anti-Korruptions-Kampagne fast ausschließlich auf Instagram und Telegram geführt. Die rechtsextreme Partei Vox, die auf Tiktok stark vertreten war, erhielt 12,4 Prozent der Stimmen bei den unter 25-Jährigen - ebenfalls besser als ihr Gesamtergebnis von 9,6 Prozent. Auch hier gaben die Menschen an, dass sie die Partei gewählt hätten, weil sie Tabu-Themen wie Einwanderung oder den Gender-Diskurs aufgegriffen habe.

Geschickt in den Sozialen Netzwerken

Als einer der Gründe für den Erfolg wird länderübergreifend genannt, dass Jungwähler andere Kommunikationskanäle nutzten - die Video-Apps Tiktok oder YouTube sowie die Messaging-App Telegram. Dort sind rechtsextreme Parteien überproportional aktiv. Die jüngste deutsche Jugendstudie zeigte, dass 57 Prozent der jungen Menschen ihre Informationen über Politik über soziale Medien beziehen.

„Wenn man nicht auf den Kanälen der jungen Leute vertreten ist, existiert man einfach nicht“, sagt Studien-Leiter Schnetzer. Und die Algorithmen von Social-Media-Plattformen belohnten kontroverse Botschaften gegenüber seriösen Inhalten, stellt Rüdiger Maas, Gründer des Instituts für Generationenforschung in Augsburg, fest. Der umstrittene AfD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Maximilian Krah, hat auf Tiktok weit mehr Follower als seine Kontrahenten der Mitte-Parteien.

Allerdings könne sich der Trend auch wieder umkehren, betont der Autor der Sinus-Jugendstudie, Marc Calmbach, im Deutschlandfunk. Der hohe Anteil jugendlicher AfD-Wähler sei eine Momentaufnahme. „Das ist ein volatiles Verhalten, ich bin mir sehr sicher, dass das in zwei Jahren ganz anders aussehen kann“, sagte Calmbach. Die Jugendlichen hätten kein geschlossenes rechtes Weltbild.

Reuters