Der österreichische Islamophobie-Forscher Farid Hafez wirft der Regierung seines Landes Schikane vor. Der Politikwissenschaftler war im Rahmen der Operation „Luxor“ am 9. November 2020 Ziel einer Razzia. Seitdem hat er sich nun zum ersten Mal auf der Plattform Twitter geäußert und auf seine Kurzdokumentation „After the Raid“ (Nach der Razzia) hingewiesen. In dem rund achtminütigen Video, das Ende Januar veröffentlicht wurde, erinnert sich Hafez daran, wie österreichische Spezialeinheiten mit Sturmhauben und Gewehren sein Haus stürmten.
Operation „Luxor“ wurde eine Woche nach der Wiener Terrornacht durchgeführt. Bei dem Terroranschlag waren vier unschuldige Menschen getötet worden. Daraufhin hatte die Kurz-Regierung verkündet, stärker gegen den „politischen Islam“ vorgehen zu werden. Die Razzia steht laut Hafez in Verbindung mit der Ankündigung des Kanzlers. „Offiziell hat das nichts mit diesem Ereignis zu tun, aber in einer Atmosphäre der Terrorismusbekämpfung durchsuchte die österreichische Regierung eine Woche später die Wohnungen von 30 mutmaßlichen Terroristen und beschuldigte mich des Terrorismus“, schrieb Hafez auf Twitter.
Der Österreicher arbeitet an der Universität Salzburg und ist zudem Senior Research Fellow an der Georgetown University in den USA. Hafez, der zu den Themen Rassismus, Islamophobie und Antisemitismus forscht, gilt als Kritiker der zunehmend repressiven Politik der Regierung gegenüber der muslimischen Minderheit in Österreich.
Der in einem Dorf in Oberösterreich geborene Hafez greift auch diesen Aspekt in seinem Video auf und warnt vor dem wachsenden Selbstbewusstsein der Rechtsextremen im Land, die sich besonders auf Muslime konzentriert hätten. „Das ist der Grund, warum ich mich für Islamophobie zu interessieren begann, weil ich das Gefühl hatte, dass niemand darüber spricht“, so der Forscher in seinem Video.
Der Wissenschaftler ist tatsächlich seit der Razzia keines Verbrechens angeklagt worden. Hafez wirft der Regierung deshalb vor, ihn absichtlich schikaniert zu haben, um ihn an seiner Kritik und seinem Aktivismus zu behindern – oder gar mundtot zu machen.
Nach der Razzia sei Hafez gefragt worden, was er über den Begriff Islamophobie denke und ob er glaube, dass „Muslime in Österreich diskriminiert werden“ und sogar, ob er bete. Auch die Fragen, ob er seiner Frau erlaube, in den Supermarkt zu gehen, und seine Kinder Musikinstrumente spielten, seien gestellt worden. Die österreichische Regierung soll auch die Bankkonten des Politikwissenschaftlers gesperrt und damit den Lebensunterhalt seiner Familie gefährdet haben.
Österreichische Behörden können nun drei Jahre lang ermitteln, ohne Beweise zu liefern und eine Anklage erheben zu müssen. In diesem Zeitraum kann die Sperre für Hafez' Bankkonten aufrechterhalten werden. Vorgeworfen werden Hafez unter anderem Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorfinanzierung und Geldwäsche. Der Verdacht basiert auf Telefonüberwachung. Nach Angaben im Video des Forschers wurden die Verdächtigen vor der Razzia über ein Jahr 21.000 Stunden lang überwacht. Dabei seien 1,2 Millionen Fotos geschossen worden. Bis dato gibt es jedoch nichts Handfestes gegen Hafez. Der Akademiker beteuert seine Unschuld und verweist auf das gesammelte Datenmaterial der Behörden, das keine Straftat beinhalte.
Akademikerkollegen stellen sich hinter Hafez
Mehrere Akademiker haben vor einer Woche eine Spendenseite eingerichtet, um Hafez bei den Gerichtskosten zu unterstützen. Die Gruppe besteht aus zahlreichen prominenten Akademikern aus Österreich und weiteren internationalen Kollegen des Forschers.
Das Unterstützungskomitee für Farid Hafez sei über die Vorgänge bestürzt. Hafez und seine Familie seien „einer traumatischen Erfahrung“ sowie „einer medialen Vorverurteilung ausgesetzt“. Damit sei sein wissenschaftlicher Ruf bedroht. Das Vorgehen sei ein Einschüchterungsversuch gegen einen anerkannten Wissenschaftler.
Die Unterstützer machen auf der Webseite darauf aufmerksam, dass der habilitierte Politikwissenschaftler bereits „zweimal gerichtlich die ihm nun wieder unterstellten Beschuldigungen aus dem Weg geräumt“ habe und „die Verfahren beide Male in zweiter Instanz gewonnen“ habe. Wissenschaftsfreiheit und Meinungsfreiheit seien ein hohes Gut, die es zu schützen gelte.
Das Komitee sieht in dem Vorgehen gegen Hafez ein europäisches Muster: Auch in anderen europäischen Ländern seien Forscher, die sich mit Rassismus und postkolonialen Studien befassten, „vermehrt Opfer vermeintlicher Terrorabwehr“ geworden. Die Akademiker betrachteten mit Sorge, wie eine der kritischen Stimmen der österreichischen Islampolitik und des Rassismus nun unter dem Vorwand des Terrors behandelt werde.
Farid Hafez habe Islamophobie-Forschung, inhaltlich und methodisch, zuerst mit Verweis auf die wissenschaftliche Antisemitismus-Forschung, später auf die post- und dekoloniale Forschung betrieben.
Auch auf die medialen und politischen Attacken gegen den Wissenschaftler reagierte das Komitee. Nach seinem in den USA publizierten Artikel über Islamfeindlichkeit in Österreich war der Politologe vom Innenminister und der Integrationsministerin kritisiert worden. Diese warfen ihm vor, die Behandlung der österreichischen Muslime sowie die Operation „Luxor“ mit der Reichskristallnacht gleichgesetzt zu haben. Laut seinen Unterstützern hat Hafez jedoch zu keiner Zeit auf eine Gleichsetzung der Novemberpogrome mit den Razzien vom 9.11.2020 und auf eine Verunglimpfung seiner Heimat abgezielt. Das könne jeder Leser selbst beurteilen. Zudem habe Hafez selbst die Vorwürfe dementiert.