Die Menschenrechts-NGO „Human Rights Watch“ (HRW) hat am Mittwoch französischen Behörden vorgeworfen, unbegleitete Migrantenkinder unrechtmäßig über die Grenze nach Italien abgeschoben zu haben. Dies verstoße gegen nationale Gesetze und internationale Konventionen. Ohne Begleitung eingereiste minderjährige Migrantenkinder müssen diesen zufolge an Kinderschutzdienste übergeben werden.
Laut einem Bericht der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu (AA) richtet sich der Vorwurf insbesondere an eine Polizeibehörde östlich von Nizza in Südfrankreich. Entgegen vorhandenen Angaben soll diese die Alters- und Geburtsangaben unbegleiteter Minderjähriger in den offiziellen Dokumenten verändert und diese als Erwachsene ausgewiesen haben. Damit konnten die Asylsuchenden nach Italien abgeschoben werden, ohne sie über ihr mögliches Asylrecht in Frankreich zu informieren.
Die Vorwürfe kamen wenige Tage nach der Übergabe einer Petition französischer NGOs, die am Montag dem UN-Ausschuss für Kinderrechte überreicht wurde. Die Vereinigungen wollen nun eine Untersuchung gegen den französischen Staat wegen des Verdachts der Verletzung der Rechte unbegleiteter Minderjähriger erwirken.
HRW befragte zwischen November 2020 und April 2021 sechs unbegleitete Minderjährige, die von Frankreich nach Italien zurückgekehrt waren, über deren Erfahrungen. Berichte von Freiwilligen, Mitarbeitern von Hilfsgruppen sowie Anwälten bestätigten die Vorwürfe bezüglich des Verstoßes der französischen Polizei gegen die vorgeschriebene Verfahrenspraxis.
Zudem bestätigte ein Urteil des höchsten französischen Gerichts für Verwaltungsangelegenheiten erst im Juli 2020 erneut: Menschen, die um Asyl bitten, darf die Einreise nicht verweigert werden – bis ihr Asylantrag geprüft worden ist.
Als „irregulär“ eingestuften Personen, denen die Einreise oder das Asyl in Frankreich verweigert wird, müssen die Behörden dem Richterspruch zufolge eine schriftliche Ablehnung zukommen lassen. Minderjährigen soll ein Vormund zur Seite gestellt werden.
Den Angaben von HRW zufolge hat die Polizei keine dieser Verfahren eingehalten. Kinder und Erwachsene, die unrechtmäßig nach Frankreich eingereist waren, seien stattdessen von den Behörden angewiesen worden, sich zum italienischen Grenzposten zu begeben.
Italienische Hilfsorganisationen haben laut Anadolu diese Angaben indirekt bestätigt. Sie hätten zwischen Juli und Ende Oktober 2020 jeden Tag zwischen 80 und 120 Erwachsene und Kinder aus Frankreich zurückgeschickt bekommen.