Frankreichs erstes muslimisches Gymnasium in Lille wehrt sich gegen die drohende Schließung. Die im Dezember von der Präfektur angekündigte Streichung der staatlichen Subventionen bedeute einen „Machtmissbrauch“ der Behörde, sagte der Anwalt des Averroès-Gymnasiums, Vincent Brengarth. am Mittwoch vor dem Verwaltungsgericht in Lille. „Es wird eindeutig mit zweierlei Maß gemessen“, sagte er mit Blick auf eine Affäre einer katholischen Eliteschule, die wegen homofeindlicher Positionen in die Kritik geraten war.
Der zuständige Präfekt Georges-François Leclerc hatte im Dezember entschieden, den Staatsvertrag mit der muslimischen Schule aufzukündigen. Dies bedeutet den Wegfall der staatlichen Finanzierung vom kommenden September an. Er begründete dies damit, dass das Gymnasium republikanischen Werten widerspreche. Konkret bemängelte er das Fehlen von Unterrichtsmitteln „zur Beziehung zwischen den Geschlechtern und zur Homosexualität“ und zu anderen Religionen. Außerdem seien die Finanzquellen nicht transparent, so Leclerc.
Der Direktor der Eliteschule Sciences Po in Lille, Pierre Mathiot, kritisierte die Entscheidung des Präfekten. Er verwies auf einen Bericht der Generalinspektion, der durchweg positiv gewesen sei. „Er wurde nicht veröffentlicht, weil er zu gut war“, meint Mathiot. Der Präfekt habe den Bericht in seiner Begründung daher nicht einmal erwähnt. Die Aufkündigung des Staatsvertrags sei daher „ungerecht und unangemessen“, betonte er.
Stanislas-Gymnasium wegen erzkatholischer Ansichten in der Kritik
Er verwies ebenfalls auf den Fall der katholischen Privatschule Stanislas, die kürzlich in die Schlagzeilen geraten war, weil die neue Bildungsministerin Amélie Oudéra-Castéra ihre Kinder dorthin geschickt hatte. Zugleich veröffentlichte das Investigativmedium Mediapart einen Bericht über die Schule, aus dem hervorging, dass mehrere Lehrer dort erzkatholische, reaktionäre und homofeindliche Ansichten vertreten hatten. Das Stanislas-Gymnasium verpflichtet die Schüler demnach zudem zum katholischen Religionsunterricht, was in Frankreich gegen das Gesetz verstößt.
Der Bericht heizte die Kritik vor allem der linken Opposition weiter an. Bislang ist jedoch nicht die Rede davon, der elitären Privatschule die staatlichen Mittel zu kürzen. Unter ihren Ehemaligen sind der frühere Präsident Charles de Gaulle, Fürst Albert I. von Monaco sowie zahlreiche Bischöfe, Minister, Abgeordnete, Militärs und Wissenschaftler.
Das Averroès-Gymnasium in Lille war 2003 nach dem umstrittenen Kopftuchverbot an französischen Schulen gegründet worden. Es war das erste muslimische Gymnasium, das 2008 unter Staatsvertrag kam. Es zählt mit seinen etwa 400 Schülern regelmäßig zu den besten Gymnasien in der Region. Daneben gibt es noch ein weiteres muslimisches Gymnasium mit Staatsvertrag in der Nähe von Lyon mit etwa 170 Schülern.