Seit Anfang des Ukraine-Kriegs steht Altkanzler Gerhard Schröder im Mittelpunkt der Kritik. Für seine Nähe zum Kreml und seine freundschaftliche Beziehung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin wurde Schröder von Medien und Politikern regelrecht gelyncht. Trotz öffentlichen Drucks ist Schröder nicht von seiner Position abgewichen und hat immer wieder eine diplomatische Lösung zwischen den beiden Kriegsparteien betont. Viele deutsche Politiker, vor allem Parteimitglieder der SPD, forderten daher, Schröder solle aus der Partei ausgeschlossen werden. Mitte Juli wurde ein Parteiausschlussverfahren gegen den Altkanzler eingeleitet. Die am Montag getroffene Entscheidung des Parteigremiums, dass Schröder in der Partei bleiben darf, kam überraschend. Welche Aussagekraft hat diese Entscheidung? Wie hängt Schröders Rolle mit der deutschen Außenpolitik zusammen?
Schröder längst politisch isoliert
Das SPD-Gremium hat mehrere Gründe für seine Entscheidung genannt, Schröder nicht aus der Partei auszuschließen. Einer dieser Gründe sei, dass die Mitgliedschaft in russischen Staatskonzernen nicht gegen die Parteiordnung verstoße und man Schröder deswegen nicht mit einer Rüge oder einem Parteiausschluss bestrafen könne. Außerdem würde einem Parteimitglied nur dann der Ausschluss aus der SPD drohen, die sich selber als „deutsche Friedenspartei“ definiert, wenn dieser Mitglied „einen Angriffskrieg fordert oder den kriegerischen Überfall eines Staates auf einen anderen rechtfertigt.“ Dies aber habe Schröder nicht getan, weswegen er nach Meinung des Gremiums weiterhin in der Partei bleiben darf. Der Anwalt Schröders, Michael Nagel, meinte, eine andere Entscheidung wäre eine große Überraschung gewesen.
Auch wenn Schröder aus juristischer Sicht in der SPD bleiben darf, gilt er für nahezu alle SPD-Politiker nicht mehr als Parteimitglied. Der Antrag eines Parteiordnungsverfahren von 17 SPD-Verbänden zeigt, dass sich die SPD mit Schröder keine Zukunft mehr vorstellen kann. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte über die Entscheidung, dass „Schröder politisch mit seinen Positionen in der SPD isoliert“ sei. Die Bundesvorsitzende der SPD, Saskia Esken, hatte schon im April gefordert, Schröder solle die Partei verlassen.
Schröders Treffen mit Putin
Ein paar Tage bevor das SPD-Gremium seine Entscheidung veröffentlichte, hatte Schröder im Stern-Interview über sein Treffen mit Putin gesprochen. In dem Interview sagt der Altkanzler, Angriffskrieg Russlands sei ein großer Fehler, aber gleichzeitig auch, Moskau sei an einer diplomatischen Lösung interessiert. Es gebe mehrere Möglichkeiten, sich mit Russland zu einigen. Während Schröder für die Ukraine keine Chance mehr sieht, die Krim wiederzubekommen, könne man für die östliche Region der Ukraine, Donbass, einen Kompromiss finden. Im Hinblick auf die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine schlägt Schröder als Alternative vor, die Ukraine zu bewaffnen, aber gleichzeitig deren „neutralen“ Status zu bewahren.
Des Weiteren meint Schröder, er werde seine freundschaftliche Beziehung zu Putin beibehalten. Mit Hinblick auf sein Heimatland rät er der deutschen Außenpolitik, man solle sich Moskau hinsichtlich Nord Stream 2 wieder annähern, da dies auch im Interesse der deutschen Wirtschaft liege. Schröder hebt seine eigene Rolle hervor, indem er behauptet, über seine Person sei es nach wie vor möglich, mit Russland zu kommunizieren.
Wenig überraschend, hagelte es Kritik für Schröders Aussagen im Stern-Interview. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei meint, der russische Außenminister habe erst vor Kurzem gesagt, die Ukraine werde von der Landkarte verschwinden, und dass Schröders Aussagen daher nicht mehr als Fantasien seien, denen man nicht folgen sollte. Laut dem CDU-Politiker stelle Schröder seine finanziellen Interessen über die Interessen seines Landes.
Deutsche Außenpolitik verliert an Unabhängigkeit
Schröder hat mit seinem Treffen mit Putin und seinen darauffolgenden Aussagen im Stern-Interview einen wunden Punkt in der deutschen Politik und Medienlandschaft getroffen. Während der Altkanzler im Interesse Deutschlands agiert und versucht, Deutschland einen größeren Handlungsspielraum in der internationalen Politik zu verschaffen, lehnen Politiker und Medien Gespräche mit Russland kategorisch ab. Die Reaktion hat vor allem damit zu tun, dass sich die deutsche Außenpolitik nahezu komplett amerikanischen Richtlinien verschrieben hat. Angeführt von den Grünen um Außenministerin Annalena Baerbock, verfolgt die neue Regierung eine transatlantische Außenpolitikstrategie, die gar nicht dem Interesse eines Deutschlands als unabhängigem Akteur in der internationalen Politik entspricht. Die Konsequenzen für diese Außenpolitik sehen fatal aus: Deutschlands Wirtschaft wurde hart getroffen, die Handlungsmöglichkeiten wurden begrenzt, wodurch andere Akteure wie die USA größeren Einfluss auf Berlin ausüben können.
Schröder ist dieser transatlantischen Außenpolitik offensichtlich zum Opfer gefallen. Auch wenn er weiterhin in der SPD bleiben darf, ist seine Akzeptanz in der deutschen Öffentlichkeit verloren gegangen. Doch auch seine Partei verliert zunehmend ihre Legitimität als Regierungspartei. Während in Umfragen die Stimmenanteile der SPD weiter zurückgehen, steigen die der Grünen stetig. Dies zeigt vor allem, dass die Grünen längst die Oberhand in der Regierung gewonnen haben und ein Wandel in der deutschen Außenpolitik kurz- und mittelfristig nicht zu erkennen ist.