Als vor genau drei Jahren, am 15. März 2019, ein 29-jähriger überzeugter Rassist in zwei Moscheeeinrichtungen im neuseeländische Christchurch eindrang und 51 Menschen kaltblütig ermordete, kam es auf globaler Ebene zu Verurteilungen. Wir vor ihm schon Breivik, der 2011 77 Menschen ermordete und ein Manifest hinterließ, sollte auch der Attentäter von Christchurch ein 74-seitiges Pamphlet mit dem Titel „The Great Replacement“, deutsch „Der Große Austausch“, hinterlassen. Und auch die Mörder von Hanau beriefen sich auf den „Großen Austausch“.
Die Verschwörungstheorie
Dieser Titel war keine Neuerfindung und befand sich ebenso im Manifest von Breivik. Er verweist auf die verschwörerische Pathologie, wonach die weiße Bevölkerung in Europa von nicht-weiß-christlichen Menschen ausgetauscht werden würde. Umvolkung wurde dies auch in der Neuen Rechten im letzten Jahrhundert genannt.
Die Ideologen des „Großen Austauschs“ mobilisieren gegen Multikulturalität, gesellschaftliche Diversität, Uneindeutigkeit, Feminismus, Marxismus ebenso wie Kapitalismus und Islam. Denn sie alle würden die Idee eines völkisch-weißen nationalen Körpers in Frage stellen und gemeinsam Europa zu einem Eurabien umgestalten, einem Kontinent unter islamischer Herrschaft. Es waren nicht mehr die Protokolle der Weisen von Zion, sondern jene der „Weisen von Mekka“, wie der Politologe John Bunzl bereits 2007 feststellte, welche das Denken rechter Verschwörungstheoretiker prägten.
Die Verschwörung argumentierte mit einer Zunahme des Anteils an MuslimInnen innerhalb von Europa. Geburtsraten und Fertilität sind zentrale und immer wiederkehrende Themen in diesem Verschwörungsdenken. Der Anschlag auf eine Synagoge im Oktober 2018 in Pittsburgh/USA, der 11 jüdische Opfer forderte, bezog sich ebenso auf dieses Verschwörungsdenken. Der Attentäter schrieb auf einem Social Media Account: „Die dreckigen Juden bringen die dreckigen Muslime ins Land!“
Ursprünge der Verschwörung
Urheber der anti-jüdisch-muslimischen Verschwörung und gleichzeitig ihr Wortschöpfer ist der französische Autor Renaud Camus. Widerhall hat diese Theorie aber in den Korridoren der Macht sowie in den erfolgreichen Rechtsparteien Westeuropas gefunden: Vom ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump über den ehemaligen italienischen Innenminister Matteo Salvini bis hin zum AfDler Björn Höcke.
Das Mainstreaming
Der derzeitige französische Präsidentschaftswahlkampf zeigt nicht nur, dass die extremsten Rechtsaußenkandidaten wie Eric Zemmour öffentlich die Idee des Großen Austauschs als ideologischen Pfeiler ihrer Propaganda bedienen. Selbst die sogenannte Mitte-Rechts-Partei-Vertreterin Valérie Pécresse reklamiert die Idee des Großen Austauschs für sich.
Das zeigt, dass drei Jahre nach Christchurch nicht nur wenig dazugelernt wurde, sondern ganz im Gegenteil in manchen Teilen der Welt diese Idee gar mit Inbrunst aufgenommen wird.