Die Wirtschaft in Deutschland war in den ersten drei Monaten dieses Jahres wie schon in den drei letzten Monaten des vergangenen Jahres rückläufig und ist somit in eine Rezession gerutscht. Ökonomen sprechen von einer Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung bei zwei aufeinanderfolgenden Quartalen abnimmt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen Januar und März im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent geschrumpft. Schon im vierten Quartal 2022 war die Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent zurückgegangen.
Aus diesen Gründen schrumpft die Wirtschaft
Die Statistikbehörde machte vor allem die weiterhin auf hohem Niveau festgefahrene Inflation, die besonders durch den Ukraine-Konflikt angestoßen wurde, sowie die damit zusammenhängende Konsumzurückhaltung für die Misere verantwortlich: „Die weiterhin hohen Preissteigerungen belasteten die deutsche Wirtschaft auch zum Jahresbeginn. Das machte sich besonders bei den privaten Konsumausgaben bemerkbar, die im 1. Quartal 2023 preis-, saison- und kalenderbereinigt um 1,2 % zurückgingen. Die Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte zeigte sich in verschiedenen Bereichen: Sowohl für Nahrungsmittel und Getränke als auch für Bekleidung und Schuhe sowie für Einrichtungsgegenstände gaben die privaten Haushalte weniger aus als im Vorquartal“, so die Statistiker. Die galoppierende Inflation zwang sowohl Privathaushalte als auch Firmen, aber auch den Staat dazu, weniger auszugeben. Private Haushalte warteten mit größeren Anschaffungen wie etwa dem Autokauf, „was unter anderem auf den Wegfall der Prämien für Plug-in-Hybride und die Reduzierung der Prämien für Elektrofahrzeuge zum Jahresbeginn 2023 zurückzuführen sein dürfte. Auch die staatlichen Konsumausgaben nahmen mit -4,9 % im Vergleich zum Vorquartal merklich ab. Hauptursache war der Wegfall der staatlich finanzierten Corona-Maßnahmen wie beispielsweise der Durchführung von Corona-Impfungen und -Testungen. Diese hatten im Rahmen der Bekämpfung der Omikron-Welle zum Jahresbeginn 2022 einen Höchststand erreicht. Ihr Wegfall führte im 1. Quartal 2023 zu entsprechend niedrigeren Staatsausgaben“, berichtete das Statistische Bundesamt.
Neue Hiobsbotschaften des ifo-Instituts trüben die Erwartungen in die Wirtschaft
Zudem hat sich die Stimmung in der deutschen Exportindustrie signifikant verschlechtert. Die Erwartungen des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo sind im Mai auf plus 1,8 Punkte gefallen, von plus 6,5 Punkten im April. Das ist der niedrigste Wert seit November 2022. „Die weltweiten Zinserhöhungen schlagen langsam auf die Nachfrage durch“, sagte Klaus Wohlrabe, Volkswirt des ifo-Instituts. „Der deutschen Exportwirtschaft fehlt die Dynamik.“ Ebenso sanken die Einfuhren nach Deutschland um 0,9 %, was die Wissenschaftler des Statistischen Bundesamts darauf zurückführten, dass die Einfuhr von mineralischen Brennstoffen wie beispielsweise Rohöl und Mineralölprodukten sowie chemischen Erzeugnissen rückläufig war. Darüber hinaus fiel der ifo Geschäftsklimaindex im Mai von 93,4 auf 91,7 Punkte, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut mitteilte. Dies war der erste Rückgang nach sechs Anstiegen in Folge, und er sank stärker als von Beobachtern erwartet. „Treiber der Entwicklung waren deutlich pessimistischere Erwartungen.“
Branchen, in denen die Wirtschaftsleistung zurückgingen
Doch damit nicht genug: Die Statistikexperten wiesen außerdem darauf hin, dass auch die „Bruttowertschöpfung der energieintensiven Branchen wie der Herstellung von chemischen Erzeugnissen sowie der Metallerzeugung und -bearbeitung erneut deutlich unter dem Vorjahresniveau“ lagen. Zudem verzeichnete das Baugewerbe im Vorjahresvergleich abermals ein kleines Minus von 0,7 %, nach starken Rückgängen in den drei Vorquartalen. Die Wirtschaftsleistung in den Bereichen Handel, Verkehr, Gastgewerbe lag ebenfalls leicht unter dem Vorjahreswert (-0,5 %).
Gefahr einer „Lohn-Preis-Spirale“
Die Explosion der Energiepreise, die fast zeitgleich mit dem Ukraine-Konflikt begann, führte zum Anstieg nahezu aller Verbraucherpreise. Allerdings blieben die Löhne weitgehend konstant, um eine sogenannte „Lohn-Preis-Spirale“ zu verhindern. Sie wird auch als Teufelskreis bezeichnet, da Unternehmen ihre gestiegenen Ausgaben in Form von Lohnsteigerungen für ihre Arbeiter und Angestellten oft durch Preiserhöhungen für ihre Waren und Dienstleistungen an ihre Kunden weitergeben. Dies führt wiederum dazu, dass das Einkommen erneut weniger wert ist und die Arbeiter und Angestellten wieder nach mehr Geld rufen. So schaukelt sich die Situation hoch und stabilisiert sich unter Umständen kaum noch. Bei einem Fachkräftemangel, der, falls nicht schnellstmöglich entgegengesteuert wird, Deutschland in den kommenden Jahren besonders hart treffen könnte, würde sich die Lohn-Preis-Spirale noch schneller bewegen.
Eine Einwanderungspolitik, die zum Wohle der deutschen Wirtschaft vom Kopf auf die Füße gestellt wird
Beim Thema Fachkräftemangel gilt es nun rasch entgegenzusteuern. Dazu gehört auch die Fachkräftemigration aus dem Ausland. Zum Glück wird dieses Problem durch die Politik erkannt und nicht aus ideologischen Gründen ausgeblendet. So sprach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schon Anfang des Jahres davon, die Fachkräftesicherung und -einwanderung als „zentrale Aufgabe“ in diesem Jahr zu behandeln. Dafür müssten alle Potenziale ausgeschöpft werden, sowohl im Inland als auch im Ausland. Schrauben, an denen im Inland gedreht werden können, sind beispielsweise „Ausbildung, Weiterbildung und Frauenerwerbsbeteiligung“. Aber auch die Weiterbeschäftigung von Arbeitskräften jenseits der 60 gehört in diese Kategorie. Bezüglich der Fachkräfteeinwanderung reiste Arbeitsminister Heil Anfang Juni mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Südamerika, um dort mit Vertretern der brasilianischen Regierung eine engere Zusammenarbeit im Bereich der Arbeitsmigration zu vereinbaren. Bei dem Treffen unterstrich Baerbock: „Als Bundesregierung haben wir uns vorgenommen, die Einwanderungspolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen, denn unsere Wirtschaft braucht dringend mehr Fachkräfte.“
Nach der Talsohle geht es wieder bergauf
Die deutsche Wirtschaft blickt weiterhin skeptisch auf diesen Sommer. Ein Ende der Rezession scheint nicht greifbar zu sein. Die Aussichten der Wirtschaftsforschungsinstitute und Statistikbehörden trüben sich erheblich ein. Damit zeichnet sich auch für den Sommer ein weiterer Rückgang des BIP ab. Derzeit zeigen fast alle Stimmungsindikatoren in eine Richtung, und zwar nach unten. Trotzdem sehen viele nicht nur die Nachteile der Rezession, sondern können der aktuellen Situation auch etwas Positives abgewinnen: Irgendwann wird die Talsohle erreicht, und dann geht es endlich wieder bergauf. Das ist der natürliche Zyklus der Wirtschaft.