Österreich als Vorbild?
Die österreichische Europaministerin Karoline Edtstadler fordert eine europaweite Registrierung von Imamen nach dem Vorbild Österreichs. Ein EU-weiter Generalverdacht gegenüber Muslimen kann dabei nicht ausgeschlossen werden.
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) verlangt  eine europaweite Registrierung von Imamen. (AFP)

Bis zur Novellierung des Islamgesetzes im Jahre 2015 nahm Österreich aufgrund seiner Verfassung unter den westeuropäischen Staaten eine Sonderrolle ein, was die Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften anging.

Während das ursprüngliche Gesetz aus dem Jahr 1912 und die darauf basierende, sachliche Religionspolitik Muslimen in Österreich ein Zugehörigkeitsgefühl vermittelte, warf schon allein die Debatte zur Novellierung des Islamgesetzes die Frage auf, ob Muslime diese besondere Stellung auch in Zukunft weiterhin genießen werden.

Den Grundstein für diese Novellierung legte Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner damaligen Funktion als Staatssekretär für Integration im Rahmen des Dialogforums Islam, ein Aufgabenbereich im österreichischen Nationalen Aktionsplan zur Integration. Im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres wurde das neue Islamgesetz ins Regierungsprogramm aufgenommen und am 31. März 2015 ratifiziert - trotz Kritik an der Unterstellung eines Generalverdachts und der Ungleichbehandlung der Muslime. In den darauffolgenden Jahren standen Muslime bzw. der Islam aufgrund neuer Maßnahmen wie Burkaverbot, Kopftuchverbot oder Schließung von Moscheen immer im Fokus, auch wenn die Schließung mit Verweis auf den „politischen Islam“ vom Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig aufgehoben wurde.

Terroranschlag in Wien wurde Anlass für die Verschärfung des Islamgesetzes

Beim Terroranschlag am 2. November 2020 in Wiener Innenstadt kamen vier Menschen ums Leben, weitere wurden verletzt. Dabei riskierten neben der Polizei und den Sicherheitskräften zwei Türkischstämmige und ein Palästinenser ihr Leben und retteten Menschen, darunter einen schwer verletzten Polizisten. Bundeskanzler Kurz erklärte in seiner Stellungnahme zu dem Terrorattentat, dass notwendige Maßnahmen gegen den „politischen Islam“ getroffen würden, und betonte: „Dies ist kein Kampf zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Österreichern und Migranten.“

Kurz nach dem Terroranschlag ließ die türkis-grüne Regierung im Zuge des Anti-Terror-Pakets verlauten, dass es im Rahmen des Islamgesetzes Verschärfungen geben werde, um gegen den radikalen Islam vorzugehen. Dabei sollen die Aufgaben der Religionsgesellschaften erweitert werden. Einerseits werden sie zur „Vorlage der Aufzeichnungen über die Rechnungslegung, insbesondere der Rechnungsabschlüsse und diesbezüglichen sonstigen Finanzunterlagen, zum Zweck der Überprüfung“ verpflichtet; bei Nichteinhaltung der Frist sind hohe Geldstrafen vorgesehen. Andererseits soll nun ein Imame-Verzeichnis angelegt werden, wobei „das Führen einer Aufstellung aller ihr zugehörigen Einrichtungen und aller ihrer Funktionsträger“ vorgeschrieben ist, um den Behörden einen besseren Überblick über islamische Prediger zu verschaffen.

Österreichs Forderung: EU-weite Einführung des Imame-Verzeichnisses

Während die zuständigen Ministerien in Österreich am Anti-Terror-Paket weiterarbeiten, verlangt Europaministerin Karoline Edtstadler eine europaweite Registrierung von Imamen. Nach dem Vorbild Österreichs solle ein europäisches Imame-Verzeichnis erstellt werden, damit die Sicherheitsbehörden feststellen können, in welchem EU-Land und welcher Moschee die Imame tätig waren. Zudem soll es wie in Österreich ein Auslandsfinanzierungsverbot geben, Gelder aus dem EU-Haushalt strenger kontrolliert und nicht an Vereine vergeben werden, die islamistische oder antisemitische Ansichten vertreten.

Der Forderung der österreichischen Europaministerin zufolge werden Muslime nun EU-weitden islamkritischen Massen dienen. Nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten EU sollen sie als Sicherheitsrisiko dargestellt werden, weil ihre Religion mit Terrorismus verbunden wird. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Vorschlag des Imame-Registers, von der EU einmal ganz abgesehen, wahrscheinlich nicht einmal von der türkis-grünen Regierung in Österreich zur Debatte gestellt würde, wäre es nicht auf Seiten der Sicherheitsbehörden in Österreich vor dem Terroranschlag des 2. Novembers zu schwerwiegenden Versäumnissen bezüglich des Attentäters gekommen.

Mögliche Resultate einer rechtsextremen Haltung

Eines muss unterstrichen werden: In vielen EU-Ländern wird die Innenpolitik von rechtsextremen, vor allem aber auch islamophoben Inhalten geprägt. Diese diskriminierende Politik nährt sich durch die Beschuldigung von Minderheiten, ihrer Weltanschauung oder religiösen Zugehörigkeit. Um die politische Macht nicht an diese rechtsextremen Parteien zu verlieren, geraten manche Mainstream-Parteien in Versuchung, die Narrative dieser Parteien anzuwenden, unter Umständen sogar ihre Parteiprogramme umzusetzen.

Sollte der Generalverdacht gegenüber Minderheiten und deren Ungleichbehandlung in den Augen der Bevölkerung gerechtfertigt sein und Vertreter diesen Minderheiten sich vom Staat an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen, werden sie sich, anders als Mikail, Recep oder Osama beim Terroranschlag in Wien, nicht für die Sicherheit anderer Menschen einsetzen können.

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