Am 29. September wird in Österreich die Nationalratswahl abgehalten. Die aktuellen Umfragen deuten auf ein deutlich anderes Ergebnis als bei den Wahlen von 2019 hin. Damals gewann die ÖVP mit 37,5 Prozent der Stimmen, gefolgt von SPÖ mit 21,2 Prozent und FPÖ mit 16,2 Prozent. Doch für die kommende Wahl wird ein stark verändertes Bild erwartet, bei dem die FPÖ als stärkste Partei hervorgehen könnte. In sechs verschiedenen Umfragen im August lag die FPÖ durchweg an erster Stelle, während die ÖVP auf den zweiten Platz fiel. Lediglich in einer Umfrage konnte sich die SPÖ den zweiten Platz sichern.
Analyse der Wahlergebnisse von 2017 und 2019
Um die aktuellen Entwicklungen besser zu verstehen, ist es sinnvoll, auch die Ergebnisse der Nationalratswahl 2017 zu analysieren. Der klare Sieg der ÖVP 2019 war nicht nur das Resultat eigener Erfolge, sondern vor allem eine Folge des „Ibiza-Skandals“, der damals den FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erschütterte. Infolgedessen rief der damalige ÖVP-Vorsitzende Sebastian Kurz Neuwahlen aus und konnte Wähler von der FPÖ zu seiner Partei ziehen. Die FPÖ verlor im Vergleich zur Wahl 2017 9,8 Prozent der Stimmen, während die ÖVP ihre Stimmen um 5,99 Prozent steigern konnte.
Anhaltende Unterstützung für die FPÖ in Österreich
Seit den 1990er Jahren hat die FPÖ in Österreich trotz gelegentlicher Rückgänge konstant zwischen 20 Prozent und 30 Prozent der Stimmen erhalten. Den höchsten Anteil in ihrer Geschichte erreichte die FPÖ bei der Präsidentschaftswahl 2016, als ihr Kandidat Norbert Hofer im ersten Wahlgang 35,05 Prozent der Stimmen und im zweiten Wahlgang 49,65 Prozent erzielte. Nach der Wiederholung der zweiten Runde erhielt Hofer 46,21 Prozent der Stimmen und unterlag Alexander Van der Bellen. Die hohe Unterstützung für die FPÖ zu dieser Zeit war vor allem auf die Flüchtlingskrise im Zuge des Bürgerkriegs in Syrien zurückzuführen. Die Partei führte eine intensive Kampagne gegen Migration und gewann dadurch bedeutenden Rückhalt in der Bevölkerung.
Erneuter Aufstieg der FPÖ: Teil eines europäischen Trends?
Der aktuelle Aufstieg der FPÖ ist ähnlich gelagert und basiert auf populistischen Rhetoriken und migrationsfeindlichen Positionen. Angesichts des allgemeinen Aufstiegs rechtspopulistischer Parteien in Europa kann die wachsende Popularität der FPÖ als Teil eines größeren europäischen Trends betrachtet werden. Die Ergebnisse der letzten Wahlen zum Europäischen Parlament zeigten, dass rechtsextreme Parteien, insbesondere in Österreich und Deutschland, ihre Stärke beibehalten oder sogar ausgebaut haben. Allerdings bestehen ernsthafte Zweifel, ob diese Popularität der FPÖ langfristig nachhaltig ist. Sollte die Partei keine umfassenden Politiken zu komplexeren und multidimensionalen Themen wie Wirtschaftskrise, Klimawandel und Beziehungen zur Europäischen Union entwickeln, könnte die populistische Rhetorik der Migrationsfeindlichkeit mit der Zeit an Wirkung verlieren.
Wirtschaftliche Risiken rechtspopulistischer Politik
Die Anti-Migrations-Politik der FPÖ birgt nicht nur politische, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Risiken für Österreich. Die Industrie- und Dienstleistungssektoren des Landes, in denen Migranten intensiv beschäftigt sind, könnten durch solche Positionen langfristig Schaden nehmen, was zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führen würde. Laut „Arbeits- und Fachkräftebedarf/-mangel Arbeitskräfteradar 2024“ des ibw-Forschungsberichts gab es im April 2024 etwa 193.000 offene Stellen in Österreich.
Diese Zahl ist zwar im Vergleich zum Höchststand von 2022 gesunken, bleibt aber historisch hoch. Besonders in den Bereichen persönliche Dienstleistungen, Nahrungsmittelproduktion, Gesundheit und soziale Dienste, Gastronomie/Hotellerie, Bau- und Automobilindustrie ist der Fachkräftemangel deutlich spürbar. Etwa 82 Prozent der Unternehmen sind von diesem Mangel betroffen, was insbesondere die Rekrutierung in handwerklichen, technischen und kulinarischen Berufen erschwert. In diesem Kontext könnten die Migrationsfeindlichkeit und der Populismus der FPÖ der österreichischen Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen, insbesondere, wenn sie in die Regierungsverantwortung kommen sollte.
Stabilere Ära unter Karl Nehammer
Mit Karl Nehammer als Bundeskanzler hat die österreichische Politik eine stabilere und respektablere Phase erlebt. Im Gegensatz zu den populistischen Ansätzen von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache verfolgt Nehammer eine diplomatischere, politischere und vernünftigere Linie. Dies hat Österreich nach Jahren der Skandale ein gewisses Maß an internationaler Anerkennung zurückgebracht. Nehammer hat auch die Beziehungen zu vielen Ländern, insbesondere Türkiye, die sich unter Kurz und Strache verschlechtert hatten, verbessert.
Koalitionsoptionen und Zukunft Österreichs
Die derzeitige politische Landschaft in Österreich zeigt, dass keine der großen Parteien alleine eine Mehrheit im Parlament erringen kann. Dies macht Koalitionsoptionen nach der Wahl wahrscheinlich. Obwohl die FPÖ in den Umfragen vorne liegt, scheint eine Regierungsbildung mit dieser Partei schwierig. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Österreich nicht erneut Zeit mit populistischen Politiken verliert. Stattdessen braucht es eine Regierung, die mit vernünftigen und ausgeglichenen Politiken die neutrale und ausgewogene Politik fortsetzt, die das Land in der Vergangenheit verfolgt hat.
Die Wahl: Weichenstellung für die Zukunft
Mit der Wahl Ende dieses Monats entscheidet Österreich nicht nur über seine politische Zukunft für die nächsten fünf Jahre, sondern legt auch den Kurs für seine langfristige wirtschaftliche und soziale Entwicklung fest. Der Aufstieg der FPÖ im Vergleich zu den letzten Wahlen ist wie immer auf ihre populistischen Rhetoriken zurückzuführen. Diese Dynamik mag kurzfristig besonders junge Menschen und einen Teil der Bevölkerung mit starkem Nationalgefühl ansprechen, birgt jedoch das Risiko, Österreichs Ansehen in der Außenpolitik und seine langjährige Neutralität und Vermittlerrolle sowie seine wirtschaftliche Entwicklung zu schädigen.
Plädoyer für rationale Politik und Integration
Die gegenwärtige Arbeitskräftesituation in Österreich verdeutlicht die wirtschaftlichen Kosten migrationsfeindlicher Politiken. Österreich braucht keine Anti-Migrations-Politik, sondern eine bessere Integration von Migranten. Eine erfolgreiche Integration würde Österreich sowohl wirtschaftlich als auch politisch und sicherheitspolitisch zu einem wohlhabenderen Staat machen. Was Österreich wirklich braucht, ist keine polarisierende Rhetorik zur Gewinnung von Wahlen, sondern eine Führung, die sich auf vernünftige und nachhaltige Politiken konzentriert, die wirtschaftliche und soziale Balance bewahren.
Die neue Regierung muss Strategien entwickeln, die nicht nur kurzfristige Lösungen bieten, sondern langfristig Stabilität und Wohlstand für das Land sichern. Die Wahl der Wähler in Anbetracht historischer Erfahrungen und aktueller Realitäten wird nicht nur für Österreich, sondern auch für das politische Gleichgewicht in Europa von entscheidender Bedeutung sein. Es ist an der Zeit, dass Österreich wieder mit Vernunft und Diplomatie, nicht mit Populismus auf der nationalen und internationalen Bühne auftritt.