In Frankreich droht Ungemach von rechts
Das Prozedere für die Präsidentschaftswahlen in Frankreich hat längst begonnen. Die gegenwärtige politische Atmosphäre im Land zeigt, dass rechtsextreme Ideologien stärker sind denn je.
Emmanuel Macron; Staatspräsident von Frankreich. (Reuters)

In Frankreich, einem der bedeutendsten und größten Staaten Europas, finden am 10. April 2022 Präsidentschaftswahlen statt. Auf der einen Seite wird Amtsinhaber Emmanuel Macron, der mit großen Hoffnungen auch wegen seines bürgerlichen Profils 2017 gewählt wurde, aber insbesondere in der Wirtschaftspolitik die Erwartungen nicht erfüllen konnte, wohl erneut kandidieren. Auf der anderen Seite streben die extremen Rechten, vertreten durch Marine Le Pen und Eric Zemmour, die Macht im Land an und wollen von Macrons Versagen in den vergangenen Jahren profitieren.

Macrons schwierige Prüfungen

Der amtierende Präsident Emmanuel Macron musste sich schon unmittelbar nach seiner Wahl 2017 harten Prüfungen stellen, etwa den Protesten der sogenannten „Gelbwesten“ und der Coronavirus-Epidemie. Die besagten Proteste richteten sich im November 2018 gegen die steigenden Treibstoffpreise und Lebenshaltungskosten. Die gewaltsame Gegenreaktion der Polizei auf die Bürgerproteste markierte den ersten Misserfolg der Macron-Administration. Tatsächlich wurden während der Proteste 770 Menschen verletzt, darunter 127 Journalisten, 30 Menschen verloren ihr Augenlicht und fünf Menschen verloren ihre Hände, was das Ausmaß der Polizeigewalt in Frankreich besonders deutlich werden ließ.

Auch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie und die dadurch verursachten sozioökonomischen Probleme erschütterten das Vertrauen in die Macron-Administration. Wie sehr, zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Elabe von Anfang des Jahres, wonach 61 Prozent der Befragten Macron nicht mehr zutrauen, die Probleme des Landes effektiv anzugehen. Folgerichtig musste die von Macron gegründete LREM-Partei bei den zurückliegenden Kommunal- und Regionalwahlen im vergangenen und in diesem Jahr bittere Verluste einstecken. Bei diesen Wahlen, die als eine Art Generalprobe für die im nächsten Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen galten, blieb die LREM hinter den Erwartungen zurück und verlor Großstädte wie Lyon, Marseille und Paris an konkurrierende Parteien. Ausgehend von dem Umstand, dass Macron im Vergleich zu seinen MitbewerberInnen ein junger Politiker ist und seine Partei erst kurz vor den Präsidentschaftswahlen 2017 gegründet wurde, lässt sich konstatieren, dass bei diesen Misserfolgen seine Unerfahrenheit und die fehlende organisatorische Tiefe den Ausschlag gegeben haben.

Aktueller Stand im Präsidentschaftsrennen

Der amtierende Präsident Macron, eigentlich einer der Favoriten bei den Wahlen im nächsten Jahr, hat seine Kandidatur bis dato noch nicht bekannt gegeben. Dennoch gilt seine Teilnahme an den Wahlen als sicher. Neben Macron werden aller Voraussicht nach Kandidaten mit rechtsextremen Einstellungen wie Marine Le Pen und Eric Zemmour ins Rennen einsteigen. Von diesen beiden ist Zemmour besonders für seine äußerst kontroversen Ansichten über die Vichy-Regierung, die während der Besatzung die Nazis unterstützte, und über die Juden bekannt geworden. Abgesehen von diesen beiden werden Mitbewerbern wie Mitte-Rechts-Kandidat Valeri Pecresse, Mitte-Links-Kandidatin Anne Hidalgo oder Jean Luc Melanchon als Vertreter der radikalen Linken keine großen Chancen eingeräumt, weil sie nicht über genügend Rückhalt und Zustimmung in der Bevölkerung verfügen. Dennoch spielen all diese Namen beim voraussichtlichen zweiten Wahlgang für die Wahl des Präsidenten eine entscheidende Rolle.

Wie bei den Präsidentschaftswahlen 2017 wird laut aktuellen Umfragen erwartet, dass Macron im ersten Wahlgang rund 25 Prozent der Stimmen erhält, was ihm den Einzug in den zweiten Wahlgang sichern würde. Gleich nach Macron erwartet man, dass Marine Le Pen als Kandidatin mit rechtsextremem Profil auf etwa 20 Prozent der Stimmen kommen wird. Zemmour, seines Zeichens ein weiterer rechtsextremer Aktivist, der die Assimilation der Muslime im Land fordert, landet demnach mit rund 15 Prozent auf dem dritten Platz. Angesichts der ideologischen Affinität von Zemmour zu Le Pen gilt es als sicher, dass sich diese beiden im zweiten Wahlgang gegen Macron verbünden werden. Das wiederum erhöht die Chancen auf einen Erfolg der extremen Rechten bei den Wahlen noch weiter.

Wahlumfragen sagen voraus, dass beim zweiten Wahlgang, der voraussichtlich am 24. April 2022 stattfinden wird, Präsident Macron 55 Prozent und Marine Le Pen 45 Prozent der Stimmen einfahren wird. Diese Prognosen, die ähnliche Ergebnisse wie bei den Wahlen 2017 vorsehen, verdeutlichen, dass Macron vorerst der aussichtsreichste Kandidat bei den anstehenden Wahlen ist. Bedenkt man jedoch, dass Umfragen nicht immer zuverlässige Ergebnisse liefern und es noch vier Monate bis zu den Wahlen sind, könnte es im April, entgegen den Prognosen, auch ein ganz anderes Ergebnis geben. Vor allem, wenn das Duo Le Pen-Zemmour gemeinsam agiert und die Mitte-Rechts-Wähler auf die eigene Seite zieht, könnte die Rechtsextreme der Macht einen Schritt näher kommen.

Mögliche Auswirkungen der Wahlen auf die Beziehungen zur Türkei

Im Lichte der bis hierhin dargelegten Analysen lässt sich sagen, dass sich bei den Wahlen zwei Gruppen herauskristallisieren. Die erste, angeführt von Präsident Macron, vertritt eine vergleichsweise gemäßigte Linie der politischen Mitte, wohingegen Le Pen und Zemmour das rechtsextreme Lager im Land repräsentieren. Vor diesem Hintergrund wird bei einer Wiederwahl Macrons die aktuell angespannte Atmosphäre in den türkisch-französischen Beziehungen aufgrund von Konfliktthemen wie Libyen, Syrien oder dem östlichen Mittelmeer weiter Bestand haben. Sollte dagegen die extreme Rechte an die Macht kommen, würde es unweigerlich zu einem Paradigmenwechsel in den bilateralen Beziehungen kommen. Es stünde zu erwarten, dass die Türkei- und islamfeindliche Einstellung der Rechtsextremen die türkisch-französischen Beziehungen vergiften würde. In diesem Sinne erscheint die Wiederwahl Macrons für die Türkei als kleineres Übel.

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