In den letzten Wochen verstärkten sich die Spannungen zwischen Frankreich und der ehemaligen Kolonie Algerien. In seiner gewohnten kolonialen Arroganz beschönigte Macron erneut französische Verbrechen in dem afrikanischen Land und stellte sogar in Frage, ob Algerien vor der französischen Kolonialherrschaft überhaupt existiert habe.
Koloniale Spannungen heute
Frankreich reduzierte im Oktober die Anzahl von Visa, die an algerische Staatsangehörige erteilt werden. Macron begründete dies mit der Behauptung, Algerien weigere sich, „illegale Immigranten“ zurückzuhalten.
In der gleichen Woche bezeichnete Macron Algerien als „politisch-militärisches System“. In einem Gespräch mit Franzosen algerischer Abstammung beschuldigte Macron Algerien, die offizielle Geschichte neu geschrieben zu haben, die nicht auf Wahrheiten, sondern auf einem Hass Frankreich gegenüber basiere. „Gab es überhaupt eine algerische Nation vor der französischen Kolonialisierung?“, fragte Macron.
Doch ist es Macron, der die Geschichte Frankreichs und Algeriens schönredet und sich weigert, sich für die zahlreichen französischen Verbrechen zu entschuldigen.
Algerien zog aus Protest seinen Botschafter aus Frankreich zurück und verbannte französische Militärflugzeuge aus dem algerischen Luftraum.
Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune betonte, Frankreich habe Verbrechen begangen, die nicht schönzureden seien. Algerien beschuldigt Frankreich des Völkermords.
Frankreich solle sich von Verhaltensweisen befreien, die untrennbar mit der inkohärenten Logik verbunden sind, die von der Logik der vom Westen beanspruchten Zivilisationsmission getrieben werden, sagte der algerische Außenminister Ramtene Lamamra. Frankreich solle seine Geschichte dekolonialisieren, fügte er hinzu.
Französische Kolonialverbrechen in Algerien
Die sogenannte Zivilisationsmission wurde in der Tat von Frankreich genutzt, um weite Teile der Welt militärisch zu besetzen, zu unterdrücken und auszubeuten. Diesem rassistischen Gedankengut zufolge habe Frankreich Fortschritt und Zivilisation verbreitet.
Algerien war eine von vielen französischen Kolonien in der Dritten Welt. Das gleichzeitig größte afrikanische und arabische Land befand sich 132 Jahre unter französischer Herrschaft. Ausbeutung, Unterdrückung, Folter und Vergewaltigungen prägten diese Ära in Algerien.
Von 1954 bis 1962 führte Frankreich einen brutalen Krieg gegen die algerische Revolution, um die Freiheitsbestrebung der Algerier zu unterdrücken. Allein zwischen November 1954 und März 1962 wurden 1,5 Millionen Algerier getötet.
Noch während des Krieges und selbst nach der Unabhängigkeit Algeriens testete Frankreich wiederholt Atombomben in der algerischen Wüste. So erkrankten 1962 circa 30.000 Algerier aufgrund einer radioaktiven Wolke. Die Opfer haben bis heute keine Kompensation erhalten.
Mit Kriegsverbrechen hat sich Frankreich kaum auseinandergesetzt. Nach dem brutalen Krieg wurde eine Generalamnestie verhängt.
Die französische Gewalt gegen Algerier war dabei stets transnational. Massaker wurden nicht nur in Algerien, sondern auch in Frankreich begangen.
Am 17. Oktober 1961 massakrierte die französische Polizei in Paris friedliche Demonstranten algerischer Abstammung. Für Franzosen algerischer Abstammung und Muslime generell wurde zuvor eine Ausgangssperre in Paris und den Vororten verhängt. Die Demonstranten protestierten gegen diese Maßnahmen. Die Polizei unterdrückte die Proteste brutal, verhaftete ungefähr 12.000 Algerier und ermordete zwischen 120 und 200 Menschen. Dabei wurden Leichen in die Seine geworfen.
Die Verbrechen wurden in den Medien zensiert und vom französischen Regime geleugnet. Erst im Jahr 2012 gestand Frankreich das Massaker ein.
Im Rahmen des sechzigsten Jahrestags dieses Verbrechens letzte Woche gab auch Macron zu, dass die Taten brutal und gewalttätig waren. Er nannte das Massaker unverzeihlich.
Um Entschuldigung gebeten hat Macron jedoch nicht. Konsequenzen wurden keine gezogen. An Reparationen ist gar nicht zu denken.
Macron hat einige der kolonialen Verbrechen anerkannt, doch weigert er sich weiterhin, sich zu entschuldigen und die Verantwortung zu übernehmen. Und welche Bedeutung kann sein Eingeständnis eines klar dokumentierten und eh nicht zu leugnenden Massakers haben, wenn Macron gleichzeitig kolonialistischen Revisionismus anregt und damit implizit die Taten rationalisiert?
Koloniale Mentalität
Macron ist bekannt für seine rassistischen und vor allem kolonialen und islamophoben Aussagen. Man kann in Macrons Rhetorik eine koloniale Nostalgie erkennen.
Auch wenn Frankreichs Kolonialregime in Algerien vor fast 60 Jahren offiziell endete, spürt Algerien wie auch andere ehemalige Kolonien weiterhin die Auswirkungen des Kolonialismus. Darüber hinaus mischt sich Frankreich weiterhin aktiv in die Politik Algeriens ein.
Menschen algerischer Abstammung in Frankreich sind auch heute noch Opfer von Rassismus und Polizeigewalt und Macrons anti-islamischen Tendenzen.
Macron, der sich während seiner Amtszeit politisch immer weiter nach rechts orientiert hat, befindet sich im Wahlkampf. Die ultrarechte Kandidatin Marine Le Pen wird wohl, wie schon bei den letzten Wahlen, seine Hauptrivalin sein. Ein Ende seiner aggressiven Rhetorik ist damit wohl nicht in Sicht.
Macron stellt in Frage, ob es vor der brutalen französischen Kolonialisierung überhaupt eine algerische Nation gab. Tatsächlich stellt sich eher die Frage, ob es Frankreich ohne die kolonialen Verbrechen und Unterdrückung heute überhaupt gäbe.