Am 8. Dezember 2021 legte Olaf Scholz im Bundestag als Bundeskanzler seinen Amtseid ab, aber seine Vergangenheit als Bürgermeister von Hamburg bzw. seine Rolle im Cum-Ex- Skandal könnte ihm zum Verhängnis werden. Den Betriebsprüfern fielen vor Jahren bei der Hamburger Privatbank M.M. Warburg Ungereimtheiten auf, weil durch Cum-Ex-Geschäfte der Bank-Tochter Warburg-Invest zwischen 2006 und 2011 der Bank 169 Millionen Euro zu Unrecht vom Finanzamt Hamburg erstattet wurden, obwohl das Geldinstitut dazu zuvor nie Steuern bezahlt hatte. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Warburg Bank, Christian Olearius, hatte stets betont, von den Machenschaften der Investment-Tochter nichts gewusst zu haben. Durch ein Geständnis des Ex-Chefs von Warburg-Invest vor Gericht hätte dies nicht nur Folgen für Christian Olearius, sondern möglicherweise auch für Bundeskanzler Olaf Scholz.
Journalist Schröm: Olaf Scholz hat zwei weitere Treffen mit Olearius vor dem Untersuchungsausschuss verschwiegen
Zwar zahlte die Warburg Bank nach dem ersten Prozess in Bonn 155 Millionen Euro der zwischen 2006 und 2011 unrechtmäßig erhaltenen 169 Millionen zurück. Doch Scholz wird beschuldigt, 2016 Olearius dabei geholfen zu haben, die vom Finanzamt Hamburg unrechtmäßig erhaltenen Steuergelder nicht zurückzuzahlen. Wie kann es sein, dass Scholz vor dem Untersuchungsausschuss in der Hamburger Bürgerschaft und im Bundestag die Treffen mit Olearius zunächst abstritt und, als weitere Details über eine Zusammenkunft mit dem Warburg-Miteigentümer bekannt wurden, er diese dann scheibchenweise zugab? Scholz hat nach Informationen des Investigativjournalisten Oliver Schröm zwei weitere Zusammenkünfte mit Olearius vor dem Untersuchungsausschuss verschwiegen, denn der Top-Bankmanager der Warburg Bank führte Tagebuch, dessen Inhalte Schröm und anderen Journalisten zugänglich wurde.
Die Tagebücher des Bankmanagers wurden im Zuge der Ermittlungen beschlagnahmt. Über die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank bekam diese vom Finanzamt Hamburg für das Jahr 2009 rechtswidrig 47 Millionen Euro überwiesen, und dieses Geld der Steuerzahler hätte das Hamburger Finanzamt zurückfordern müssen. Die Finanzbehörde verzichtete jedoch 2016 auf eine Rückforderung bzw. ließ die Frist zur Rückzahlung verstreichen. Die berechtigte Frage lautet daher: Warum sollte das Geld der öffentlichen Hand nicht zurücküberwiesen werden? Nach Recherchen von ARD Panorama und „Die Zeit“ findet sich die Antwort auf diese Frage in den beschlagnahmten Tagebüchern von Olearius.
Beschlagnahmte Tagebücher liefern Einblicke in das Netzwerk der Bank zum politischen Establishment
In den Aufzeichnungen konnten die Ermittler das Netzwerk des Warburg-Vorstands einsehen, der gute Drähte zu politischen Entscheidungsträgern und der regierenden SPD in der Hansestadt hatte. Er war ein gern gesehener Gast auf Veranstaltungen und saß im Aufsichtsrat der Elbphilharmonie. Und wenn, wie im Fall der Elbphilharmonie, Geld für deren Ausbau benötigt wurde, zeigte sich Olearius von seiner generösen Seite. Auch gegenüber der SPD war die Warburg Bank spendabel, wenn es um eine Parteispende ging.
Bei Zusammenkunft mit Scholz legte Olearius das Positionspapier der Warburg Bank vor
Als Bundesfinanzminister bezeichnete Olaf Scholz die Cum-Ex-Geschäfte 2020 als „Riesenschweinerei“, empfing jedoch 2016 den Warburg-Miteigentümer als Bürgermeister von Hamburg, obwohl die Staatsanwaltschaft gegen Olearius wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelte. In den Tagebucheinträgen sind die Zusammenkünfte mit dem damaligen Bürgermeister Scholz dokumentiert. Aber ausgerechnet an das Treffen mit Olearius am 7. September 2016, bei dem dieser die wirtschaftliche Lage der Warburg Bank gegenüber Scholz erläuterte, will sich der jetzige Bundeskanzler nicht erinnern können.
Es kam noch dicker: Wegen der Cum-Ex-Geschäfte ermittelten in Deutschland Staatsanwaltschaften, und Olearius sollte vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagen, machte jedoch von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, weil gegen seine Person ermittelt werde. Am 9. November 2016 erhielt Olearius einen Anruf von Olaf Scholz. Der Warburg-Mitinhaber hatte bei einem vorherigen Treffen mit Scholz ein Positionspapier der Warburg Bank vorgelegt und darin die Argumentation des Geldinstituts dargelegt. Scholz erklärte Olearius am Telefon, er solle das Argumentationspapier der Bank an den Finanzsenator Peter Tschentscher weiterleiten.
Erinnerungslücken an Telefonat mit Warburg Bank-Miteigentümer
Der heutige Bürgermeister Hamburgs leitete das besagte Papier an die Finanzbehörde der Hansestadt weiter. Dann der endgültige Paukenschlag: Bei einer Sitzung entschied die oberste Finanzbehörde der Stadt, auf Steuerrückforderungen in Millionenhöhe gegen die Bank zu verzichten. Merkwürdigerweise kann sich Olaf Scholz an Details des Telefonats mit Christian Olearius nicht erinnern, obwohl es sich hier ausdrücklich nicht um „Peanuts“ handelt, sondern um 47 Millionen Euro. Die Finanzbehörden in Hamburg hätten 2017 die Möglichkeit gehabt, 43 Millionen Euro Steuerrückforderungen an die Warburg Bank zu stellen, die das besagte Geldinstitut dem Staat vorenthalten hatte. Nur aufgrund einer Intervention des Bundesministeriums der Finanzen stellte das Finanzamt Hamburg Steuerrückforderungen an die Warburg Bank.
Politische Entscheidungsträger müssen die Interessen des Staates und der Bürger schützen
Es ist nicht das erste Mal, dass Spitzenpolitiker dieses Landes keine politische Verantwortung übernehmen wollen und einen Skandal aussitzen oder sich auf Erinnerungslücken berufen, wie im Fall von Scholz. Helmut Kohls „Blackout“ ist noch in guter Erinnerung. Wenn ein Bundeskanzler beim Amtsantritt im Bundestag seinen Eid leistet, schwört er, zum Wohle des deutschen Volkes zu arbeiten und dessen Nutzen zu mehren. Als Bürgermeister eines Stadtstaates wie Hamburg gehört es ebenfalls zu dessen Aufgaben die Interessen des Staates und der Bürger zu schützen, sprich eingenommene Steuergelder dort zu investieren, wo sie gebraucht werden (Bau von Straßen, Schulen, Kitas etc.), und nicht an Banken zu verteilen, die auf betrügerische Weise den Staat hintergangen haben. Apropos Erinnerungslücken: Ex-Bürgermeister Olaf Scholz und Christian Olearius trafen sich am 15. Dezember 2016 im Hamburger Rathaus in angenehmer Atmosphäre wieder. Es ging um die Verleihung eines Wirtschaftspreises. Wer durfte bei dieser Gelegenheit Grußworte an das Auditorium richten? Der Chef der Warburg Bank, Christian Olearius. Und an dieses Ereignis kann sich Olaf Scholz bestimmt erinnern!