Wiener Studie mit türkischen Migranten: Rassismus schadet Gesundheit
Ein Team um Psychologin Ricarda Nater-Mewes von der Universität Wien wies jüngst nach, dass die Häufigkeit von Rassismuserfahrungen mit körperlichen Stressindikatoren zusammenhängt. Zwei Gruppen türkischer Migranten wurden für die Studie untersucht.
Symbolbild: Tabletten. (Reuters)

Personen mit Migrationshintergrund sind häufig mit Diskriminierungserfahrungen konfrontiert. Das Erleben von Diskriminierung aufgrund des ethnischen Hintergrundes steht im Zusammenhang mit Stress und beeinträchtigt die psychische und körperliche Gesundheit, wie Forscher der Universität Wien rund um Psychologin Ricarda Nater-Mewes in einer Studie an männlichen türkischen Migranten in Österreich herausfanden.

Erlebnisse ethnischer Diskriminierung lösen bei betroffenen Personen häufig eine akute Stressreaktion aus. Stressreaktionen haben mehrere Komponenten, da neben der empfundenen Belastung gleichzeitig auch physiologische Prozesse ablaufen: Der Körper reagiert mit einer Stressantwort (zum Beispiel durch eine erhöhte Herzrate) und das Stresshormon Kortisol wird ausgeschüttet.

Ungleichgewicht im Körper kann Psyche und Körper krank machen

Nater-Mewes erklärt: „Wenn ethnische Diskriminierung häufig beziehungsweise chronisch erlebt wird, dann können die körpereigenen Stresssysteme durch den immer wiederkehrenden Stress aus der Balance kommen. Ein solches Ungleichgewicht kann zum Entstehen von psychischen Störungen und körperlichen Krankheiten beitragen. Deshalb ist es wichtig, die potenziell gesundheitsschädigenden Auswirkungen von ethnischer Diskriminierung auf die Stresssysteme auf mehreren Beobachtungsebenen zu untersuchen.“

In einer kürzlich in der Fachzeitschrift „Psychoneuroendocrinology“ erschienenen Studie konnten die Autoren an einer Stichprobe von Männern mit türkischem Migrationshintergrund zeigen, dass die Häufigkeit von Rassismuserfahrungen mit körperlichen Stressindikatoren zusammenhängt. In der Studie wurden zwei Gruppen von türkischen Migranten untersucht: Personen, die angeben, sehr häufig (chronisch) Diskriminierungserfahrungen zu erleben und eine zweite Gruppe von Personen, die solche Erfahrungen sehr selten machen. Die Teilnehmer unterschieden sich sonst in keinem Merkmal voneinander.

In der Studie durchliefen alle Teilnehmer dann ein Interaktions-Paradigma im Labor, in dem ethnische Diskriminierung standardisiert ausgelöst wurde. Die Reaktion auf diese Diskriminierung wurde mit mehreren Stressindikatoren aufgezeichnet: Das subjektive Stressempfinden wurde erhoben, die Herzrate gemessen und Speichel- und Haarproben entnommen. Diese Proben wurden nach Abschluss der Erhebung von den Forschern unter anderem auf den biologischen Stressindikator Kortisol untersucht. Alle Studienteilnehmer wurden vor ihrer Teilnahme ausführlich über die Studie aufgeklärt und stimmten der Teilnahme zu. Sie konnten die Studie jederzeit abbrechen und Unterstützung in Anspruch nehmen.

Studienleiter Andreas Goreis erläutert die zentralen Befunde: „Die Analyse der Daten zeigte, dass Personen mit chronischen Diskriminierungserfahrungen mit einem höheren subjektiven Stressempfinden und weniger Kortisol im Speichel auf die Diskriminierung im Labor reagierten. Des Weiteren hatte die chronische Gruppe eine höhere Kortisol-Konzentration im Haar. Die Herzrate und andere Indikatoren des autonomen Nervensystems stiegen hingegen in beiden untersuchten Gruppen gleichermaßen an.“

Stresshormon Kortisol kann Immunsystem schaden

Mitautor Urs Nater interpretiert dies wie folgt: „Die Ergebnisse legen nahe, dass häufige Diskriminierungserfahrungen tatsächlich zu einer fehlenden Balance körpereigener Stresssysteme führen können. Insbesondere Veränderungen des Stresshormons Kortisol können sich schädigend auf das Immunsystem auswirken und so auf lange Sicht krankheitsfördernd sein.“

Diese und andere Arbeiten des Forschungsteams fördern das grundlegende Verständnis bezüglich jener Prozesse und Mechanismen, über die sich ethnische Diskriminierung negativ auf Personen mit Migrationshintergrund auswirken kann. Nater-Mewes hält fest: „Die Ergebnisse dieser Studien helfen uns, maßgeschneiderte klinisch-psychologische und psychotherapeutische Interventionen zu entwickeln. Dies ist insbesondere relevant, um die Gesundheit von Personen mit Migrationshintergrund zu fördern und aufrecht zu erhalten.“

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