Von Feride Tavus
Die CDU/CSU liegt einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge bei 21 Prozent. Ihren Abwärtstrend kann sie anscheinend nicht stoppen.
Die SPD liegt in Führung, wird aber auch bald an eine Decke stoßen. Das prognostiziert Peter Matuschek, Leiter der Politik- und Sozialforschung beim Meinungsforschungsinstitut Forsa. Matuschek erklärt im Gespräch mit TRT Deutsch, wie die Parteien wenige Tage vor der Bundestagswahl dastehen und was die Gründe sind.
Wie ist die Schwäche der Union zu erklären?
Sie liegt im Moment noch in dieser Woche bei 21 Prozent, die SPD etwas davor mit 23 Prozent und die Grünen bei 18, das heißt, wir haben drei Parteien, die sich doch in einem ähnlichen Bereich bewegen. Das ist ein absolutes Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, wo wir immer die beiden großen Parteien hatten, die sich abgewechselt haben und auch deutlich vor allen anderen lagen. Jetzt haben wir im Grunde fast einen Dreikampf und bedeutsam ist vor allem die Schwäche der Union, die wir ja so noch nie wirklich gesehen haben in dieser Dramatik.
Hat die Union den falschen Kandidaten ins Rennen geschickt?
Eine Rolle spielt natürlich der Kanzlerkandidat Armin Laschet, der auch schon vor seiner Nominierung im April als schwach wahrgenommen wurde. Er ist nicht führungsstark als jemand, dem man zutraute, das Land zu führen. Dieses Bild hatte sich zwischenzeitlich ein bisschen verbessert. Aber er ist jetzt im Grunde im Spätsommer wieder auf dieses Bild zurückgefallen, sodass im Moment nur elf Prozent Armin Laschet als Kanzler wählen würden, wenn sie das direkt tun könnten.
Wäre, im Nachhinein betrachtet, ein Markus Söder der erfolgreichere Kanzlerkandidat gewesen?
Alle Zahlen, die wir vorliegen haben, wenn wir nach den Präferenzen der Wähler gefragt haben, auch der Unionswähler von 2017, waren eindeutig für Söder. Es gab auch viele, die gesagt haben, man hätte jetzt im Wahlkampf noch wechseln sollen. Also mit Söder hätte die Union deutlich bessere Chancen gehabt als mit Laschet und läge mit relativer Sicherheit deutlich über 30 Prozent und nicht bei knapp 20.
Was macht aus Ihrer Sicht die SPD in diesem Wahlkampf so erfolgreich?
Die SPD profitiert eigentlich in erster Linie von der Schwäche der Union. Das ist ganz klar. Sie hat einen Kandidaten, der besser wahrgenommen wird als die beiden anderen, Baerbock und Laschet. Aber die SPD selbst ist ja nach wie vor schwach. Und was sie natürlich geschickt macht im Wahlkampf, ist, dass sie jetzt im Grunde das gesamte Führungspersonal versteckt, also die beiden Parteivorsitzenden, die tauchen ja überhaupt nicht auf im Wahlkampf. Diese haben ja die Wahl gewonnen zum Parteivorsitz gegen Olaf Scholz, den man als Parteivorsitzenden nicht wollte, der aber bei den Wählern deutlich beliebter ist. Das machen sie sehr geschickt: Sie fokussieren alles auf Scholz, der deutlich populärer ist und verstecken eigentlich die anderen.
Während bei der CDU eigentlich das Gegenteil der Fall ist. Laschet müsste eigentlich mehr andere Personen noch vorzeigen außer sich selbst, weil er nun mal selbst ein schwacher Kandidat ist. Also die SPD macht das ganz geschickt, aber die Frage ist, ob das noch für viel mehr reichen wird als diese 23 Prozent, die sie im Moment hat. Stehen bei dieser Wahl mehr die Themen oder die Popularität der Kandidaten im Vordergrund? Es ist die Popularität der Person oder die Attraktivität des jeweiligen Kandidaten. Das ist natürlich ein ganz zentraler Punkt. Und da ist halt die Frage: Wem traut man das denn alles in allem am ehesten zu, am besten zu regieren? Und da kommt die Außenpolitik mit rein, die Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik. Es kommt immer darauf an: Wem traut man das zu? Die Probleme, die es ja gibt, die ändern sich jede Woche. Jetzt haben wir Afghanistan, das beunruhigt die Leute natürlich. Wir haben immer noch die Corona-Krise, die die Leute beunruhigt: Geht das jetzt noch mal weiter mit dem Impfen? Wann können wir wieder ein normales Leben führen? Also die Partei, die regieren will, muss ja auf alle Probleme irgendwo eine Antwort haben. Und das wechselt natürlich auch. Und da kommt es darauf an, wem die Leute das insgesamt am meisten zutrauen. Der Wirecard-Skandal hat Olaf Scholz anscheinend nicht geschadet. Wie ist das zu erklären? Scholz hat eigentlich in den letzten Wochen keine wirklichen Fehler gemacht. Mit den Skandalen ist das immer so eine Sache. Es gab ja auch einen Untersuchungsausschuss zu Wirecard etc. - das schleicht sich irgendwann wieder aus. Die Leute gewöhnen sich irgendwann daran und es ist auch für viele so, dass das nicht so gravierend war, dass man jetzt sagt, Scholz kommt für das Amt gar nicht infrage. Das muss man einfach so sagen. Das scheint ihm nicht wirklich zu schaden. Wie sehen die Chancen der Grünen bei dieser Bundestagswahl aus? Bei der Europawahl hatten Sie ein sehr gutes Ergebnis. Sie lagen auch damals 2019 teilweise schon mal vor der Union in Umfragen. Sie liegen also, wenn man sich das letzte Ergebnis anguckt, jetzt über zehn Prozent über ihrem letzten Ergebnis. Das ist jetzt weniger als das, was sie zwischenzeitlich im Sommer in den Umfragen hatten. Aber ich würde mal vermuten, dass die Grünen sich so unterhalb der 20-Prozent-Marke, vielleicht bei 20 Prozent stabilisieren und dieses Ergebnis halten können. Wie sehen die FDP-Chancen aus? Die FDP ist natürlich der Königsmacher in der nächsten Regierung, das ist ganz klar, denn für alle möglichen Koalitionen, die jetzt denkbar wären, also außer einem Linksbündnis SPD-Grüne-Linke, wäre die FDP ja notwendig. Ob das jetzt die Deutschland-Koalition wäre oder Ampel oder Jamaika - also die sind eigentlich der Königsmacher. Da wird es vermutlich darauf ankommen, wie sich die FDP und Lindner entscheiden, ob man eher mit der CDU und den Grünen zusammengeht oder eher mit der SPD und den Grünen. Wie schätzen Sie das Abschneiden der AfD ein? Die AfD ist im Moment eigentlich eher unterhalb ihres Niveaus, das sie vor vier Jahren hatte. Sie liegt so etwa bei elf Prozent im Moment. Das wäre etwas schlechter als bei der letzten Wahl. Die AfD hat einen sehr loyalen Wählerstamm. Das sind Leute, die würden nie eine andere Partei wählen. Die kommen auch meist nicht von irgendeiner anderen Partei. Die haben früher auch mal gar nicht gewählt und eine andere rechte Partei gewählt. Die haben eine sehr, sagen wir mal, überzeugte Anhängerschaft, die auch quer liegt zu allen anderen Parteianhängern. Die haben ganz eigene Vorstellungen, auch antidemokratische Vorstellungen in Teilen. Also die werden sich um diese zehn Prozent herum stabilisieren. Das ist einfach deren Wählerpotenzial, was sie auch haben. Kann die Linkspartei Wählerstimmen hinzugewinnen? Bei den bei der Linken ist es so: Die wird häufig im Moment gar nicht so wahrgenommen. Die haben nun wirklich massive Probleme. Sie sind teilweise im Westen mittlerweile unter fünf Prozent und sie sind im Osten auch nur noch knapp zweistellig. Das ist ja immer ihr Gebiet gewesen, in dem sie ja auch als Anwalt des enttäuschten Ostdeutschen nach der Wiedervereinigung ihre Stärke hatte. Also die liegen im Moment bei sechs bis sieben Prozent. Würden sicherlich reinkommen in den Bundestag, aber die haben einfach das Problem, dass ihre Wählerschaft ausstirbt im Osten. Spielen die sogenannten anderen Parteien überhaupt noch eine Rolle? Interessant ist die Entwicklung eigentlich in diesem Wahlkampf, dass wir doch einen relativ hohen Anteil von sonstigen Parteien haben, da treten ja sehr viele kleine Kleinstparteien an bei dieser Wahl und sind auch zugelassen, wobei keine von denen bislang in unseren Umfragen an die drei Prozent heranreicht.
Vielen Dank für das Gespräch!