von Emre Bölükbaşı
Frank Wormuth arbeitete in der Saison 1998/99 als Co-Trainer von Fenerbahçe mit dem damaligen Cheftrainer des Vereins – Joachim Löw. Seit 2018 bekleidet er den Trainerposten von Heracles Almelo in den Niederlanden. Insbesondere durch seine langjährige Tätigkeit als Chef der Fußballlehrerausbildung beim DFB und Coach der deutschen U20-Nationalmannschaft gilt der ehemalige Fußballprofi als ein sehr erfahrener Trainer.
Im Interview mit TRT Deutsch sprach der 61-Jährige unter anderem über seine Erfahrungen in der Türkei, seine Pläne für die Zukunft und er teilte mit, ob er einen Trainerposten für Jogi Löw in der Türkei für möglich hält.
Nachdem Sie Ihre Karriere als Spielertrainer beendet hatten, stiegen Sie bei Fenerbahçe als Co-Trainer ein. Wie hat Ihre Zeit in Istanbul den weiteren Verlauf Ihrer Karriere beeinflusst?
Ich habe im Amateurbereich angefangen, habe meine Fußballlehre, meine Pro-Lizenz gemacht, war dann auch Trainer in der sechsten oder siebten Liga. Und Jogi Löw kannte ich natürlich noch vom SC Freiburg. Wir haben zusammen dort Fußball gespielt und dann hat sich diese Freundschaft gehalten und er brauchte bei Fenerbahçe einen Co-Trainer. Und ich habe gedacht: „Oh, das ist schon ein großer Sprung.“ Aber ich war ja auch Profifußballer. Deswegen wollte ich auch gern zurück. Und dieses eine Jahr, wo ich dann Co-Trainer war, hat mir zwei Dinge gezeigt. Das erste: Ich bin kein Co-Trainer, muss ich ehrlich sagen.
Und das zweite, was ich mitgenommen habe, war: Ich kann auch mit Nationalspielern arbeiten. Das war sehr wichtig, auch für meine jetzige sogenannte Karriere bis zum heutigen Tag. Dieses Vertrauen zu haben, dass das auch nur Menschen sind, auch wenn sie hervorragende Fußballer sind. Denn ich war selbst Durchschnitts-Fußballspieler in der zweiten Liga und dann haben Sie plötzlich einen Murat Yakın oder einen Moldovan vor sich stehen und denken: „Boah, sind das Fußballer.“
Seit langem wird in den Medien über das Interesse von Fenerbahçe an Löw als Cheftrainer berichtet. Haben Sie noch Kontakt zu ihm? Denken Sie, dass er wieder in der Türkei arbeiten könnte?
Ja, ich habe noch Kontakt, natürlich. Wir sind immer noch Freunde. Er hat mir gesagt, dass er bis Ende des letzten Jahres mit keinem Verein, mit keinem Verband sprechen wollte, auch sich wirklich mal zurückgenommen hat – um nach über 16 Jahren mal richtig Ruhe zu haben. Es waren viele Anfragen, habe ich gehört von ihm. Und jetzt beginnt er erst langsam wieder, sich darüber Gedanken zu machen, mit welchem Verein und welchem Verband er spricht. Er ist in der Komfortzone. Er hat hervorragende Arbeit geleistet. Die Anfragen kommen. Aber er fängt jetzt an, nachzudenken.
Während Ihrer Zeit bei Fenerbahçe war Aziz Yıldırım der Präsident des Vereins. Er stach vor allem durch seinen dominanten Führungsstil im türkischen Fußball hervor. Wie war Ihr Verhältnis zu Yıldırım?
Das stimmt, er war eine Autorität. Als wir dann mit Jogi Löw in die Türkei kamen, haben wir die ganze Kultur noch nicht so gut gekannt. Wir sitzen beim Essen, der Präsident kommt rein, alle stehen auf. Das kennen wir in Deutschland nicht. Das war spannend zu sehen. Und als sich der Präsident hingesetzt hat, durften wir uns auch hinsetzen. Und als der Präsident aufgehört hat zu essen und gegangen ist, mussten wir aufhören zu essen. Und da ist natürlich für uns als Deutsche extremer Respekt da. Und das zeigt auch so seine Position damals. Aber es zeigt: Da ist großer Respekt vor dem Präsidenten von Fenerbahçe.
Sie sind aktuell Trainer von Heracles Almelo in den Niederlanden, doch am Ende der Saison werden Sie den Verein verlassen. Können Sie sich einen Trainerposten in der Türkei vorstellen?
Ich bin jetzt 61 Jahre alt und ich habe mir vorgenommen, ab dem 60. Lebensjahr nicht mehr über eine Karriere zu sprechen, sondern alles, was möglich ist und kommt, anzuschauen und dankbar zu sein. Nach zehn Jahren Chef-Ausbilder in Deutschland habe ich gesagt: „Ich geh wieder in das Haifischbecken Fußball rein, aus der Komfortzone raus“ und hatte dann die Möglichkeit in den Niederlanden, bei diesem kleinen anständigen Verein Heracles Almelo wirklich toll arbeiten zu dürfen. Und jetzt, nach vier Jahren habe ich auch gesagt: „Ich kann noch einen Schritt machen in einen anderen Klub, vielleicht auch einen größeren Klub.“
Bezogen auf die Türkei: Ich habe mich in diesem einen Jahr sehr wohlgefühlt. Diese Mentalität, die Kultur der Türken, die ist mir nicht unbekannt, auch weil es sehr viele Türken auch in Deutschland gibt, zu denen ich Kontakt habe. Die Sprache ist etwas schwierig, ich habe sie leider nicht gelernt. Ich habe nur Englisch gesprochen, bis auf „daha çabuk“ und „iyi akşamlar“. Ich finde die Fußballkultur gut so, diesen Enthusiasmus. Aber auf der anderen Seite: Wenn du verlierst, dann versteck dich lieber. Aber unheimlich interessant. Hat wirklich Spaß gemacht.
Es heißt immer, im türkischen Fußball herrsche wenig Disziplin, dafür aber mehr Leidenschaft. Empfanden Sie das auch so?
Als ich zu Fenerbahçe kam, habe ich nicht das Gefühl gehabt, dass Fenerbahçe unstrukturiert war, und auch die Spieler waren nicht undiszipliniert. Aber dass eine große Euphorie im Umfeld war – in beide Richtungen – das haben wir gemerkt, auch als wir mal auswärts in Ankara unentschieden gespielt haben und das Flugzeug dann landete. Wir haben gehört „Oh, da draußen sind sehr viele Fans, die sind sehr sauer auf uns“ und wir mussten dann eine Stunde im Flughafen bleiben und dann hinten rausgefahren werden. Das war die andere Seite wieder. Aber das ist auch Emotion und das muss man akzeptieren.
Was ich bei der türkischen Kultur auch gut fand: Sie waren heute emotional, aber morgen waren sie wieder normal. Sie haben also nicht was mitgenommen, wochenlang, monatelang, sondern sie haben ihre Frustration rausgelassen. Und am nächsten Tag konntest du wieder normal mit diesen Menschen sprechen. Und das ist ja auch eine gute Eigenschaft.
Wie hatte Ihnen das Leben in Istanbul gefallen?
Jogi Löw war begeistert von der Stadt, das muss ich auch ehrlich sagen, weil er auch ein Stadtmensch ist. Ich hab die Stadt als Stadt betrachtet, weil ich mehr ein naturbezogener Mensch bin. Ich lebe mehr in der Natur. Typisch deutsch: morgens aufgestanden, ins Trainingsgelände gefahren, gearbeitet und abends zurück. Und meine Frau war hochschwanger. Mein zweiter Sohn ist in der Türkei geboren, in Istanbul. Dadurch war ich natürlich das erste halbe Jahr mit meiner Frau viel zusammen. Und da musste ich auch dann zu Hause sein und war nicht unterwegs.
Aktuell ist Ismail Kartal Cheftrainer von Fenerbahçe, mit dem Sie dort auch zusammengearbeitet hatten. Wie war Ihr Verhältnis zu Kartal?
Das Verhältnis war echt ganz seriös, muss ich sagen. Er war sehr zurückhaltend, war am Anfang seiner Karriere. Er hat immer gesagt, er wolle lernen von den Trainern. Er hat ständig gefragt, war ständig dabei. Das war wirklich für ihn sicherlich eine tolle Erfahrung, einem ausländischen Trainer mal über die Schulter zu schauen, mitzuarbeiten. Er war als Mensch ruhig und zurückhaltend. Ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm gehabt. Das war ganz seriös, ganz toll, muss ich sagen. Und wenn ich jetzt höre, dass er bei Fenerbahçe auch der Cheftrainer ist: Kompliment, Kompliment!
Vielen Dank für das Gespräch!