Armin Hodzic: Kroatien spielt weiter die sichere Karte
„Bosniaken stellen die zweitgrößte Minderheit in Kroatien, sind aber im Parlament im Gegensatz zu anderen Minderheiten nicht vertreten”, unterstrich Armin Hodžić, Präsident des bosniakischen Nationalrats der Republik Kroatien, gegenüber TRT Deutsch.
Armin Hodzic (Others)

Armin Hodžić wurde 1996 in Zagreb geboren und lebt noch heute dort. Hodžić, Politologe und langjähriger Aktivist für die bosnische Minderheit, trat dem bosniakischen Nationalrat in Kroatien 2015 als dessen jüngster Vertreter bei. Er ist Mitglied der sozialdemokratischen Partei SDA in Kroatien. Zuvor hatte er auch schon das Amt des Präsidenten des bosniakischen Jugendverbandes in Kroatien inne.

Vor kurzem erklärte der Präsident Kroatiens, Zoran Milanović, er sei der Präsident aller Kroaten in Bosnien und Herzegowina (BiH). Wie waren die Reaktionen auf diese Aussage?

Die Reaktionen waren aufgrund der Häufigkeit derartiger Aussagen seitens Milanović’ nicht heftig, es gab auch nicht viele. Obwohl ich verstehe, was Herr Milanović sagen wollte – die meisten Kroaten in BiH haben auch die kroatische Staatsbürgerschaft – öffnen solche Äußerungen die Büchse der Pandora und der Prozess gerät für alle in der Region ins Stocken, die ein solches Paradigma in der nationalen Repräsentation etablieren möchten.

Präsident Milanović hat mehrmals unangemessene Äußerungen zu BiH gemacht, zum Beispiel „Erst Seife, dann Parfüm“. Wie steht Milanović zu Bosnien und Herzegowina?

Milanović hat eine primitive Sicht auf Bosnien und Herzegowina, die sich oft bewusst und manchmal unbewusst in seinen öffentlichen Auftritten äußert. Milanović sagt zum Beispiel oft „Um Gottes Willen, wir sind nicht in Prnjavor“ und spielt damit darauf an, dass Prnjavor ein abgelegenes Dorf ist, in dem es nichts Anspruchsvolles gibt. Es gibt noch andere Beispiele, etwa seine Auffassung über die Bosniaken, wie die von Ihnen zitierte Erklärung belegt. Milanović ist der Ansicht, dass in Bosnien und Herzegowina nichts funktioniert und dass Kroatien eine stabile Präsenz der Kroaten in den Institutionen von BiH sicherstellen muss, unabhängig von ihrer Zahl in BiH.

BOSNIAKEN ZAHLENMÄSSIG AN ZWEITER STELLE IN KROATIEN

Kroatische Beamte sagen, sie kämpfen für die Rechte der Kroaten in Bosnien. Und welche Rechte haben Bosniaken in Kroatien?

Laut Verfassung und Gesetzen haben Bosniaken in Kroatien genügend Raum, um ihre kulturelle und nationale Identität zu stärken und zu pflegen. Wie Sie wissen, haben nationale Minderheiten in Kroatien das Recht, im Parlament vertreten zu sein. Doch dort sind Bosniaken in einer untergeordneten Position. Wir teilen uns nämlich den Wahlkreis mit Albanern, Montenegrinern, Slowenen und Mazedoniern, was dazu führte, dass wir seit 2015 keinen Abgeordneten mehr im Parlament haben, sondern von Ermina Lekaj Prljaskaj vertreten werden, die albanischer Nationalität ist. Es ist paradox, dass Bosniaken mit fast 32.000 Mitgliedern die zweitgrößte nationale Minderheit sind, aber keinen Abgeordneten haben, während nationale Minderheiten mit nur halb so großer Anzahl, etwa Italiener, Ungarn, Tschechen und andere, einen eigenen Wahlkreis haben.

Auf welche Hindernisse stoßen Sie in der Politik und beim Lobbyismus für Bosniaken in Kroatien am häufigsten?

Das größte Problem ist die Äußerung über die nationale Zugehörigkeit. 50 % der Bosniaken in der Wählerliste sind als Muslime registriert, was bedeutet, dass sie nicht die Rechte nationaler Minderheiten erwerben und nicht das Recht haben, den Vertreter der Bosniaken im kroatischen Parlament zu wählen. Dies lag zum Teil an der staatlichen Regulierung dieses Themas und zum Teil an der Passivität bosnischer Organisationen in dieser Frage. Natürlich denke ich, dass Bosniaken in Kroatien auch Kollateralopfer der gegenwärtigen Beziehungen zwischen der Republik Kroatien und Bosnien und Herzegowina sind, weil sie trotz ihres Beitrags zur kroatischen Gesellschaft und zum Staat nicht einmal die Hälfte der Vorteile genießen, die anderen Minderheiten zur Verfügung stehen.

In Bosnien und Herzegowina schwelt eine Krise. Wie steht Kroatien zu diesem Thema?

Es gab zurückhaltende Äußerungen von Premierminister Plenković, mit denen dieser eine solche Rhetorik verurteilte und betonte, sie trage nicht zur Verbesserung der Lage in Bosnien und Herzegowina bei. Ich denke, dass die Beamten der Republik Kroatien bei diesem Thema mit Kalkül vorgehen, weil sie Milorad Dodik als Verbündeten für Änderungen des Wahlgesetzes sehen und sich daher nicht über dessen Schritte negativ äußern wollen, um dessen Unterstützung nicht zu verlieren.

Eine der Hauptdebatten zwischen Kroatien und BiH dreht sich um das Wahlgesetz in Bosnien. Was genau fordern Kroaten?

In Bezug auf das Wahlgesetz in BiH wird das Haupttempo von der HDZ BiH diktiert, daher weise ich oft darauf hin, dass Kroatiens Außenpolitik gegenüber BiH von Mostar und nicht von Zagreb aus betrieben wird. Mir scheint, dass die HDZ BiH mit ihren Vorschlägen ihre Regierungsbeteiligung in BiH konkretisieren will, denn bei jedem Vorschlag lassen sie Kroaten aus Posavina oder in Sarajevo lebende Kroaten bewusst aus. Deshalb will Covic, dass nur Kroaten, die der HDZ-Wählerschaft angehören, das Wahlrecht für kroatische Vertreter haben.

MENSCHEN GEHEN WEG WEGEN UNGERECHTIGKEIT

Kürzlich besuchte der französische Präsident Macron Kroatien. Was war das Ziel und das Ergebnis dieses Besuchs?

Ziel war es, einen Vertrag über die Lieferung eines Geschwaders von Kampfjets im Wert von mehr als einer Milliarde Euro zu unterzeichnen. Die Medien weisen darauf hin, dass dies der erste offizielle Besuch des französischen Präsidenten in Kroatien war und offensichtlich gerade wegen des Abschlusses des besagten Abkommens erfolgte.

Kroatien ist Mitglied der Europäischen Union. In den kroatischen Medien wird jedoch oft von der großen Zahl junger Menschen gesprochen, die in andere Länder abwandern. Was sind die Hauptgründe?

Die meisten gehen nach Deutschland und Österreich, der Grund sind bessere Arbeits- und Bildungsbedingungen. Für gleiche oder ähnliche Jobs in westlichen Ländern sind die Gehälter doppelt so hoch. Die aktuelle Volkszählung wird zeigen, dass in den letzten 10 Jahren etwa eine halbe Million Bürger Kroatien verlassen haben, und viele glauben, dass die tatsächliche Zahl noch größer ist. Durch den EU-Beitritt haben sich den Bürgern der Republik Kroatien viele Möglichkeiten eröffnet, ein besseres Leben in westlichen Ländern anzustreben, obwohl ich der Meinung bin, dass die Menschen nicht in erster Linie wegen höherer Gehälter, sondern wegen Ungerechtigkeit und Korruption Kroatien verlassen.

Welche Beziehungen hat Kroatien zu EU-Staaten? Zu welchem ​​Land hat es gute Beziehungen, und welche Politik verfolgt es?

Premierminister Plenković ist ein ziemlich etablierter Politiker in der Europäischen Union und hat beträchtlichen Einfluss. Traditionell ist Deutschland eines der wichtigsten Partnerländer, seit kurzem mit Abschluss eines strategischen Abkommens auch Frankreich. Ich denke jedoch, dass Kroatien angesichts seiner Position und Größe die Ströme innerhalb der Europäischen Union nicht drastisch beeinflussen kann, aber das Land spielt in dem Bündnis bereits eine größere Rolle, als die eigene Kapazität es eigentlich zulässt.

Mit dem Ausscheiden von Angela Merkel aus der Politik wird eine Neuordnung der Beziehungen innerhalb der Europäischen Union erfolgen, und ich denke, Kroatien wird weiterhin mit den gleichen, ich würde sagen, guten Karten spielen.