von Ali Özkök
Der aus Heidelberg stammende und in Hamburg lehrende Politikwissenschaftler und Friedensforscher Matthias Basedau hat im Interview mit TRT Deutsch vor übersteigerten Erwartungen an die Problemlösungskompetenz westlich geführter Friedensmissionen in Afrika gewarnt. Gleichzeitig wendet er sich auch gegen eine ausschließlich negative Bewertung von Einsätzen wie Minusma.
Basedau ist Direktor des GIGA Instituts für Afrika-Studien. Das GIGA berät unter anderem das Auswärtige Amt und andere Teile der Bundesregierung.
Auf den schwindenden Einfluss des Westens und die zunehmende Präsenz oftmals rivalisierender Mächte in Afrika müsse man sich einstellen. Basedau setzt auf Handel statt externer Hilfsprogramme in Afrika.
Sehr geehrter Herr Basedau, ist Mali auf dem besten Weg, zum zweiten Afghanistan zu werden, wo der Westen seine Fähigkeiten zum weltweiten Nation Building überschätzt hat?
Wenn wir uns die Diskussionen in manchen Ländern anschauen, auch Deutschland, könnte man diesen Eindruck gewinnen. Das Konzept des Nation- bzw. State-Building ist dann fragwürdig, wenn man annimmt, dass ein Land oder Staat nachhaltig, schnell und mit mäßigem Mitteleinsatz von außen „aufgebaut“ werden kann. Das funktioniert nur, wenn die Bedingungen in diesen Ländern dafür günstig sind. Das war in Afghanistan nicht der Fall und auch in Mali sind die Bedingungen nicht wirklich günstig. Allerdings ist der Pakistan-Faktor für Afghanistan, der alle Bemühungen erschwert hat, so im Sahel nicht gegeben.
Ich glaube, der Westen muss in seinen Zielen bescheidener und in seinen Mitteln selbstkritischer werden. Was erreicht werden kann und bislang auch erreicht wurde, ist, einen „dschihadistischen“ Staat zu verhindern. Bei der nachhaltigen Lösung der Fragilität der Staaten ist man bestenfalls wenig vorangekommen. Die Zuspitzung der Krise ist jedoch kaum die Folge der westlichen Intervention. Die Lage wäre ohne diese vermutlich schlimmer.
Immer mehr Länder, die sich an der Minusma-Mission beteiligt haben, denken über einen Ausstieg nach. Schweden zieht seine Kräfte bereits ab, für Frankreich wird es immer schwieriger, seinen Verbleib nicht nur vor der Bevölkerung in Mali, sondern auch im eigenen Land zu rechtfertigen, und die malische Armee verliert an Terrain. Sollte Deutschland nicht langsam, aber sicher auch über einen Abzug nachdenken und wenn nein, warum nicht?
Die jüngsten Äußerungen von Außenministerin Baerbock zeigen, dass dies bereits erwogen wird. Für einen Abzug spricht, dass die hochgesteckten Ziele nicht erreicht wurden und dass es nach dem jüngsten Militärputsch zunehmend Schwierigkeiten mit der malischen Regierung gibt. Derzeit gibt es vor allem mit dem westlichen Hauptpartner Frankreich enorme diplomatische Spannungen. Sollten diese eskalieren und Frankreich komplett abziehen, dann wäre wohl auch ein deutsches Engagement nicht mehr zu halten. Generell sollten die eigenen Soldaten überdies nur mit gutem Grund großen Gefahren ausgesetzt werden.
Allerdings spricht meines Erachtens vieles gegen einen Abzug. Mit dem Abzug würde die Glaubwürdigkeit des Westens und der europäischen Länder weiter beschädigt. Der – durchaus überstürzte – Abzug aus Afghanistan signalisiert, dass Verbündete gegebenenfalls im Stich gelassen werden. Die malische Regierung braucht weiter militärische Hilfe, um die terroristische Gewalt einzudämmen. Und wie erwähnt: Ich denke, dass die Lage ohne die militärische Unterstützung kritischer wäre als ohne. Ich glaube daher, ein Abzug aus Mali wäre derzeit die falsche Lehre aus Afghanistan.
Einige Akteure in Mali, auch die derzeitige Militärregierung, setzen auf private russische Sicherheitsunternehmen im Kampf gegen extremistische Rebellen. Ist das Vertrauen in Russland in weiten Teilen Afrikas mittlerweile größer als in frühere europäische Kolonialmächte? Sollte man den kostspieligen und nicht ungefährlichen Einsatz nicht auch dann diesen neuen Mächten überlassen?
Dass die malische Regierung sich an Russland gewendet hat, ist zuallererst eine Reaktion auf den bereits erfolgten französischen Teilabzug. Neben der Kolonialvergangenheit ist das ein Hauptgrund für das angespannte Verhältnis mit Frankreich. Die Regierung braucht objektiv gesehen externe militärische Hilfe. Ob die „Gruppe Wagner“ und reguläre russische Berater militärisch erfolgreicher sein werden, würde ich bezweifeln, bleibt aber abzuwarten. Eine Gefahr ist, dass russische Militärs wie in Syrien wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen. Das könnte den Terroristen noch mehr Zulauf einbringen. Ich glaube auch nicht, dass das Vertrauen in Russland prinzipiell größer ist als in westliche Mächte. Mali nimmt Hilfe, von wem sie angeboten wird. Man wird sich in Bamako darüber im Klaren sein, dass die russische Hilfe nicht kostenlos ist, sondern Teil des russischen Großmachtstrebens.
Unverkennbar ist, dass der westliche und insbesondere europäische Einfluss in Afrika schwindet. Dies liegt an zahlreichen externen Akteuren wie China, Golfstaaten oder der Türkei, die zunehmend nach mehr Einfluss streben und an Bedeutung gewinnen. Diese Diversifizierung der externen Akteure in Afrika ist nicht per se problematisch, birgt aber ein Risiko. Nämlich dann, wenn verschiedene Mächte um Einfluss rivalisieren und damit Regierungen in Afrika stabilisieren helfen, deren Politik einer allgemeinen Entwicklung der Länder nicht zuträglich ist. Im schlimmsten Fall kommt es zu Stellvertreterkonflikten, die im Kalten Krieg – nicht nur in Afrika – viel Schaden angerichtet haben.
Im Zuge der sogenannten Neuen Seidenstraße hatte auch China schon anderen afrikanischen Ländern Investitionsprojekte und Infrastruktur zugesagt – häufig gegen recht eigenwillige Finanzierungs- oder Kreditbedingungen. Welche Rolle spielt Peking in Mali?
Ich bin kein Spezialist für die Rolle Chinas in Mali. Über den Wert chinesischer Infrastrukturprogramme und die Bedingungen chinesischer Kredite in bzw. an Mali erlaube ich mir kein Urteil. Beides ist aber häufig Gegenstand von Kritik. Peking ist in Mali jedoch zunehmend präsent. China engagiert sich in Afrika zunehmend nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch, in Mali mit einem Kontingent von mehreren hundert Mann in der UN-Friedenstruppe. Militärisches Engagement durch China war vor wenigen Jahren eine absolute Ausnahme. Dies ist Teil des chinesischen Großmachtstrebens unter Xi Jinping und der internationalen Machtverschiebung, global und auf dem afrikanischen Kontinent.
Vielen Dank für das Gespräch!