Gasversorgung Europas gesichert: Ukraine und Russland unterzeichnen Vertrag
In letzter Minute haben Russland und die Ukraine den Gastransit-Vertrag unterzeichnet. Damit ist die Gasversorgung Europas für die nächsten fünf Jahre gesichert.
Gastransitvertrag mit Gazprom  (DPA)

Russland und die Ukraine haben einen wegweisenden Vertrag über den Gastransit zur Versorgung Europas unterzeichnet. Der russische Staatskonzern Gazprom und der ukrainische Energieversorger Naftogaz unterschrieben nach tagelangen Verhandlungen die Vereinbarung. Das teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit. Gazprom-Chef Alexej Miller sagte, es seien endgültige Vereinbarungen getroffen worden. Sie seien bereits in Kraft getreten. Damit bleibe der Gasfluss nach Europa gewährleistet. Es ist das erste Abkommen zwischen Kiew und Moskau nach mehr als fünf Jahren massiver Konfrontation im Ukraine-Konflikt. Der Transitvertrag für die sichere Versorgung Europas, vor allem Deutschlands, gilt für fünf Jahre. Er wurde praktisch im letzten Moment unterzeichnet, weil der aktuelle Zehn-Jahres-Vertrag heute ausläuft. Selenskyj und Kremlchef Wladimir Putin begrüßten die Vereinbarung, wie das Präsidialamt in Kiew nach einem Telefonat beider Politiker mitteilte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem „guten und wichtigen Signal“für die Versorgungssicherheit in Europa. Sie dankte Russland und der Ukraine dafür.

Russland und die Ukraine hatten bereits am 19. Dezember eine Grundsatzeinigung unter Vermittlung der EU und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verkündet. Die Transitmengen fallen künftig deutlich geringer aus als in der Vergangenheit. Die Ukraine hätte gern eine möglichst große Transitmenge gehabt, weil das für das finanzschwache Land mehr Einnahmen aus den Durchleitungsgebühren bedeutet hätte.

Statt der bisher rund 90 Milliarden Kubikmeter im Jahr sollen 2020 nur 65 Milliarden Kubikmeter russisches Gas durch die Ukraine gepumpt werden. Von 2021 bis 2024 seien 40 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr für den Transit geplant. Russland will künftig die Ostseepipeline Nord Stream 2, deren Bau im Moment durch US-Sanktionen lahmgelegt ist, für direkte Lieferungen nach Deutschland nutzen. Deshalb ist die Transitmenge durch die Ukraine künftig geringer.

Russische Medien hatten zuletzt kritisiert, dass Russland in dem neuen Vertragswerk der Ukraine zu viele Zugeständnisse mache. So überwies Gazprom eine Summe von 2,9 Milliarden US-Dollar (2,61 Mrd Euro) an Naftogaz. Die Ukraine begrüßte das. Das Geld gibt dem chronisch klammen Land wieder mehr sozialpolitischen Spielraum.

Mit dem ausgehandelten Vertrag sollen auch Forderungen aus mehreren Rechtsstreitigkeiten fallengelassen werden. Die Ukraine verzichtet nach russischen Angaben im Gegenzug auf Forderungen gegen Russland in zweistelliger Milliardenhöhe. Selenkyj zufolge besteht die Möglichkeit, den Vertrag um weitere zehn Jahre zu verlängern. Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew bezeichnete den Abschluss als für beide Seiten angemessen. „Es war ein Kompromiss, der gefunden werden musste“, schrieb er im sozialen Netzwerk. „Jetzt sind alle Probleme gelöst.“ Nach Angaben von Naftogaz war die Versorgung der Ukraine mit russischem Gas selbst nicht Gegenstand der Verhandlungen. Man habe ein entsprechendes Angebot von Gazprom dazu zur Kenntnis genommen, teilte das Unternehmen mit. Unklar blieb, ob es dazu in nächster Zeit separate Gespräche geben sollte. Eine weitere Vereinbarung schloss Gazprom mit Bulgarien ab. Das EU-Mitgliedsland solle von Januar an russisches Gas durch die Pipeline Turkish Stream erhalten, sagte Bulgariens Energieministerin Temenuschka Petkowa. Damit kann Russland bei Gaslieferungen an Bulgarien die Ukraine umgehen. Teile der Pipeline befinden sich noch im Bau. So laufen noch die Arbeiten an einer Abzweigung von Turkish Stream durch Bulgarien - sie trägt den Namen Balkan Stream - bis zur serbischen Grenze. Das frühere Ostblockland Bulgarien ist auch 18 Jahre nach dem EU-Beitritt noch immer fast komplett vom russischen Erdgas abhängig, strebt aber neue Lieferrouten sowie Gasquellen an.

DPA