Hilfsorganisationen warnen vor Hungersnot in Westafrika
Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise befürchtet das Welternährungsprogramm eine Verdopplung der Zahl der Hungernden auf 265 Millionen. Betroffen ist insbesondere Westafrika.
Hungerkrise in Westafrika (Symbolbild) (DPA)

Die Vereinten Nationen befürchten angesichts der Coronavirus-Pandemie eine weltweite Hungerkrise. Die Zahl der Hungernden weltweit könne wegen der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in diesem Jahr auf 265 Millionen ansteigen, teilte das Welternährungsprogramm (WFP) am Dienstag mit. Das wären fast doppelt so viele wie 2019, als 135 Millionen Menschen von Ernährungskrisen betroffen waren. Hilfsorganisationen beobachten bereits jetzt Engpässe bei der Lebensmittelversorgung in ländlichen Regionen.

Schon vor der Pandemie habe die Ernährungsunsicherheit in vielen Ländern zugenommen, erklärte das WFP in einem Bericht zu weltweiten Ernährungskrisen, den es zusammen mit der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) erstellt hat. Demnach waren im vergangenen Jahr 135 Millionen Menschen in 55 Ländern von akuten Ernährungskrisen betroffen - die höchste Zahl seit vier Jahren.

Afrika war 2019 am stärksten betroffen

Mit 73 Millionen Hungernden war Afrika dem Bericht zufolge 2019 am stärksten betroffen. Besonders viele Menschen hatten demnach im Südsudan, im Jemen und in Afghanistan nicht genug zu Essen.

Die Zunahme der Ernährungskrisen war dem Bericht zufolge zuletzt vor allem auf Konflikte, Wirtschaftskrisen und Wetterereignisse wie Dürren zurückzuführen. Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus drohe nun Millionen von Menschen zu treffen, deren Existenz wegen Hunger und Mangelernährung „bereits am seidenen Faden hängt", erklärte der WFP-Experte Arif Husain.

Verheerende Auswirkungen auf Lebensmittelversorgung in Westafrika

Hilfsorganisationen wie Oxfam, Care und Save the Children warnten vor verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie insbesondere auf die Lebensmittelversorgung in Westafrika. Die Zahl der Menschen, die in der krisengeschüttelten Region von Mangelernährung bedroht sind, könnte demnach bis August von 17 auf 50 Millionen ansteigen.

Der Zugang zu Lebensmitteln sei durch die Pandemie sowohl in den Städten als auch in ländlichen Gebieten bereits schwieriger geworden. Die Preise seien gestiegen und viele Grundnahrungsmittel kaum noch verfügbar. Grund hierfür seien die restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wie Ausgangssperren und Grenzschließungen.

Bauern haben den Angaben zufolge bereits Schwierigkeiten, hochwertiges Saatgut und Düngemittel zu beschaffen. „In wenigen Tagen ist der Preis für einen 100-Kilo-Sack Hirse von 16.000 auf 19.000 CFA-Francs gestiegen, und die Kosten für einen Liter Speiseöl haben sich verdoppelt", sagte Amadou Hamadoun Dicko von der Vereinigung zur Förderung des Viehbestands in der Sahelzone und in der Savanne.

Die Landwirtschaft macht nach Angaben der Hilfsorganisationen mehr als 30 Prozent der westafrikanischen Wirtschaft aus. Für 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung ist sie die größte Einkommens- und Lebensgrundlage.

„Jeder Kontext ist anders"

Der Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege rief zu lokalen Lösungen in Afrika auf, um der Corona-Krise zu begegnen. „Jeder Kontext ist anders", betonte der kongolesische Gynäkologe bei einer Online-Konferenz der Stiftung Positive Planet am Dienstag. In seinem Heimatland, der Demokratischen Republik Kongo, arbeiteten etwa fast 80 Prozent der Menschen im informellen Sektor, sagte Mukwege. Eine strikte Ausgangssperre wie in anderen Ländern sei damit "praktisch unmöglich".

Insgesamt sei sich Afrika der Ernsthaftigkeit der Corona-Krise bewusst, sagte Mukwege weiter. Die von vielen Regierungen getroffenen Maßnahmen bezeichnete er als „angemessen". Anders als in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Aids hätten Regierungen afrikanischer Staaten die Existenz des Virus nicht geleugnet.

Offiziell gibt es in Afrika bisher rund tausend Todesfälle durch das neuartige Coronavirus, 20.000 Menschen wurden positiv getestet. Aufgrund mangelnder Testkapazitäten gehen Experten jedoch von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.

Zweiwöchige Ausgangssperre in Borno

Im nordnigerianischen Bundesstaat Borno verhängte der Gouverneur Babagana Zulum eine ab Mittwoch geltende zweiwöchige Ausgangssperre. Kurz zuvor hatte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mitgeteilt, dass einer ihrer Mitarbeiter in Borno an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben war. Es handelte sich um den ersten Corona-Toten in der Krisenregion.

In Nigeria - dem mit 200 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Afrikas - gelten bereits in mehreren Städten Ausgangssperren. Befürchtet wird, dass Kriminalität und Unruhen zunehmen - insbesondere in der Metropole Lagos, wo Millionen in Armut lebende Menschen ihrer Arbeit nicht nachgehen können.

AFP