Verfassungsschutz: Rechtsextreme auf dem Vormarsch in Hessen
Der Verfassungsschutzbericht zeigt ein alarmierendes Anwachsen der rechtsextremen und reichsbürgerlichen Szene in Hessen. Die Zunahme gewaltorientierter Extremisten gebe zunehmend „Anlass zur Sorge“, sagt Verfassungsschutzchef Bernd Neumann.
Verfassungsschutz: Mehr rechtsextreme Gewalttaten in Hessen / Photo: AFP (AFP)

Die Zahl der Rechtsextremisten und Reichsbürger in Hessen ist gestiegen. 2022 galten 1730 Menschen als Rechtsextremisten, fast die Hälfte davon galt als gewaltorientiert, wie das hessische Innenministerium im Verfassungsschutzbericht mitteilte. Vor einem Jahr waren es noch 20 Menschen weniger gewesen. Als Reichsbürger und sogenannte Selbstverwalter galten 1100 Menschen und damit hundert mehr als im Vorjahr. Beide Phänomene überkreuzen sich teilweise.

Insgesamt zählte das Landeskriminalamt 13.295 Menschen als Extremisten. Nach vier Jahren gab es in diesem Bereich einen Rückgang, 2021 hatten noch 385 Menschen mehr als Extremisten gegolten. Rückgänge gab es in den Bereichen Linksextremismus und Extremismus mit Auslandsbezug.

Die Zahl extremistischer Gewalttaten sank insgesamt von 91 auf 60. Im Bereich des Rechtsextremismus gab es jedoch acht Gewalttaten mehr als 2021. Dort stieg auch die Zahl der Straftaten insgesamt von 946 auf 1051.

Innenminister Beuth: „Rechtsextremismus weiterhin größte Bedrohung“

„Der Rechtsextremismus mit seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen ist weiterhin die größte Bedrohung für die freiheitliche Demokratie und die öffentliche Sicherheit in Hessen“, erklärte Innenminister Peter Beuth (CDU). Die fortlaufende „Aufhellung“ der rechtsextremistischen Szene sei ein Hauptaugenkmerk des Landesamts für Verfassungsschutz.

„Sowohl gewaltorientierte Neonazis als auch Ideologen aus dem rechten Spektrum geben uns verstärkt Anlass zur Sorge“, erklärte Verfassungsschutzpräsident Bernd Neumann. Einseitige Meldungen oder Falschmeldungen würden ohne Gegenrede in den Filterblasen des Internets verstärkt. Seit einigen Jahren versuchten Rechtsextremisten zudem, neue E-Learning-Projekte zu etablieren, um dem Rechtsextremismus einen „intellektuellen Anstrich“ zu geben. Als Beispiel nannte der Verfassungsschutzbericht die sogenannte „Gegen-Uni“, eine Internetplattform aus Frankfurt am Main.

Reichsbürgergruppe scheitert mit Projekten

Zudem plante die Reichsbürgergruppe Königreich Deutschland aus Sachsen-Anhalt 2022, ein Lebensmittelgeschäft und eine sogenannte Regionalstelle im hessischen Main-Kinzig-Kreis zu eröffnen. Ein weiteres Mitglied der Gruppe wollte ein Lokal in Frankfurt betreiben, das Teil eines neu gegründeten „Vereinhauses“ sein sollte. Die Projekte kamen auf Druck der Behörden und der Öffentlichkeit nicht zustande. Laut Verfassungsschutz ist in Hessen weiter mit Anmietversuchen der Reichsbürgergruppe zu rechnen.

Beim Linksextremismus sank die Zahl der Straf- und Gewalttaten binnen einem Jahr von 131 auf 79. Während insgesamt die Zahl der Linksextremisten von 2770 auf 2650 sank, blieb die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten unverändert. Menschen in diesem Phänomenbereich griffen immer wieder Themen auf, von denen sie vermuteten, dass sie damit an nicht-extremistische Teile der Gesellschaft andocken könnten, hieß es im Verfassungsschutzbericht.

Als Beispiele wurden Antifaschismus und die Klimaschutzbewegung genannt. Bei letzterer werde immer wieder versucht, die Bewegung für eigene Zwecke zu instrumenatlisieren. „Sie versuchen dabei, gezielt Einfluss auf friedliche Bewegungen zu nehmen“, erklärte Neumann. Vor allem zu Beginn von Rodungen komme es durch teilweise radikale Waldbesetzer und Linksextremisten aus ganz Deutschland vermehrt zu Straftaten. Ein Beispiel dafür sei die Räumung des Fechenheiner Walds in Frankfurt Anfang 2023 gewesen.

AFP