Mit der geplanten Legalisierung von Cannabis verstößt Deutschland nach Ansicht der Unions-Fraktionschefs gegen das Völker- und gegen das Europarecht. „Das Völkerrecht gestattet den Gebrauch von Cannabis nur zu wissenschaftlichen und medizinischen Zwecken in einem engen Sinne, nicht aber den kommerziellen Anbau und Handel“, heißt es im Entwurf einer Resolution, welche die Vorsitzenden der Fraktionen von CDU und CSU an diesem Sonntag bei ihrer Konferenz in Brüssel beschließen wollen. Das Papier liegt der Deutschen Presse-Agentur in München vor.
Weiter heißt es darin: „Die UN-Drogenkontrollorgane bewerten eine umfassende Cannabis-Legalisierung wie von der Bundesregierung beabsichtigt in ständiger Entscheidungspraxis als vertragswidrigen Verstoß gegen die UN-Übereinkommen zur Drogenbekämpfung.“ Da die Europäische Union seit 1988 Vertragspartei des zentralen UN-Übereinkommens zur Drogenbekämpfung sei, seien dessen Regelungen auch Teil des europäischen Rechts.
CDU/CSU warnt vor Vertragsverletzungsverfahren
Ferner verstoße das Cannabis-Gesetz auch gegen das sogenannte Schengener Durchführungsübereinkommen von 1990 und den Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates von 2004. „Die Bundesregierung würde also sehenden Auges gegen europäisches Recht verstoßen und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland provozieren.“
Die Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktionen in den deutschen Landtagen, des Deutschen Bundestages und der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion fordern daher in ihrem Papier ein Stopp des Gesetzes im Vermittlungsausschuss des Bundesrates: „Nur so kann Schaden von den insbesondere jungen Menschen in Deutschland abgewendet werden. Nur so kann ein offener Bruch von Völker- und Europarecht, und ein entsprechender Ansehensverlust Deutschlands abgewendet werden. Der Bundespräsident muss einem solchen Gesetz seine Unterschrift verweigern.“
„Die Ampel will gegen alle gesellschaftlichen wie parteiinternen Widerstände und mit einer unfassbaren Ignoranz gegenüber ärztlichem Rat das Cannabis-Gesetz weiter durchpeitschen“, behauptete der bayerische CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek der Deutschen Presse-Agentur. Selbst eigene Studien des Bundesgesundheitsministeriums hätten prognostiziert, dass der Konsum unter Jugendlichen steigen werde. „Wir werden alle juristischen Möglichkeiten prüfen und gleichzeitig versuchen mit anderen Bundesländern das Vorhaben in den Vermittlungsausschuss zu bringen, um es noch zu stoppen.“
Klare Mehrheit im Bundestag für Legalisierung contra Bundesrat
Das Gesetz über die teilweise Legalisierung von Cannabis für den Eigenverbrauch war kürzlich vom Bundestag mit einer Mehrheit im Bundestag beschlossen worden. CDU und AfD sprachen sich dagegen aus. Dem Gesetz zufolge sollen Konsum und Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis künftig erlaubt werden, aber ausschließlich für Erwachsene. Im Eigenanbau zuhause sind bis zu 50 Gramm sowie drei Pflanzen erlaubt, sofern das Cannabis vor dem Zugriff durch Minderjährige geschützt wird. Allerdings könnte es im Bundesrat Widerstand gegen das Gesetz geben
Laut jüngsten Berichten sprechen sich mehrere Landesminister von Bündnis90/Die Grünen dafür aus, im Bundesrat zum Cannabisgesetz (CanG) den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dadurch würde das Inkrafttreten des Gesetzes erheblich verzögert. Der Deutsche Hanfverband (DHV) spricht in einer Presseerklärung vom Mittwoch von Verrat.
Es ist übliche Praxis, dass Landesregierungen sich im Bundesrat enthalten, wenn die Koalitionspartner auf Landesebene nicht einer Meinung sind. Die Grünen sind an ausreichend Landesregierungen beteiligt, um das Gesetz sicher und ohne Verzögerung durch den Bundesrat zu bringen. Sie können die Anrufung des Vermittlungsausschusses sicher verhindern.
Doch ausgerechnet von der traditionellen Legalize-Partei kommt jetzt plötzlich der größte Gegenwind unter den Ampelparteien. Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) sprach sich dafür aus, das Gesetz später in Kraft treten zu lassen. Die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) fordert ebenfalls mehr Zeit für bürokratische Vorbereitungen, während weiter munter Strafverfahren gegen Cannabiskonsumenten eröffnet werden. Und NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) „organisiert” gar laut WDR „gerade die Notbremse im Bundesrat”. Er fordert eine Verschiebung des Inkrafttretens des Gesetzes auf den 01. Oktober.
180.000 Strafverfahren gegen einfache Cannabiskonsumenten
Derzeit werden in Deutschland ca. 180.000 Strafverfahren gegen einfache Cannabiskonsumenten eröffnet, meistens wegen Besitzes geringer Mengen. Ein Großteil dieser Strafverfahren würde durch das CanG wegfallen. Eine Verschiebung des Inkrafttretens des CanG um ein halbes Jahr, wie von den Grünen gefordert, würde also zu ca. 90.000 weiteren Strafverfahren führen.
Das bedeutet auch weitere zusätzliche Arbeit für die Justizbehörden. Vor allem aber ist es eine Verlängerung der staatlichen Verfolgung harmloser Bürger, die das CanG endlich beenden soll. Dass ausgerechnet die „traditionsreichste Legalize-Partei“ dafür werbe, diesen Verfolgungsdruck der Konsumenten weiter aufrecht zu erhalten, betrachtet der Hanfverband als „herbe Enttäuschung“.
„Die Grünen Landesverbände haben jetzt die Wahl: Sind sie die Verräter der Cannabisreform oder ihr Retter? Wir fordern die Grünen auf, den Vermittlungsausschuss zu verhindern und für ein reibungsloses und unverzügliches Inkrafttreten des CanG zu sorgen. Alles andere wäre eine Kriegserklärung der Grünen an alle Hanffreunde”, so DHV-Sprecher Georg Wurth.