Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat Bund, Länder und Kommunen dazu aufgerufen, mit vereinten Kräften für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. Nötig sei eine „Gesamtanstrengung aller drei Ebenen“, sagte die SPD-Politikerin in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie sprach sich dafür aus, vor allem Brennpunktbereiche mit mehr Geld und Personal zu unterstützen und dort den Lehrerberuf durch eine bessere Bezahlung attraktiver zu machen.
Bildungskarrieren seien auch heute möglich, aber „immer noch auf Zufall angelegt“, sagte Bas. „Man braucht viel Glück und jemanden, der das Talent erkennt und Bildungschancen eröffnet.“ Statistiken und Studien belegten, dass junge Menschen eher studierten, wenn sie aus Akademikerhaushalten kämen. „Unser Versprechen, dass Arbeiterkinder studieren können, gibt es in der Realität. Auch dank Fördermöglichkeiten wie Bafög, etc. Trotzdem fällt es Kindern aus Familien mit geringem Einkommen schwerer.“ Oft fehlten die Vorbilder für den Bildungsaufstieg.
„An der Bildungslandkarte lässt sich klar ablesen, wo die Probleme besonders ausgeprägt sind“, sagte Bas. „Um diese Regionen müssen wir uns verstärkt kümmern, hier sollten wir ganz gezielt mehr Mittel und Personal einsetzen.“ Mit Blick auf die Probleme der betroffenen Städte und Gemeinden, Lehrkräfte zu finden, brachte sie auch finanzielle Anreize ins Spiel: „Wer zum Beispiel an einer Brennpunktschule arbeitet, könnte mit Zulagen mehr verdienen.“
Bessere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen erforderlich
Durch den Föderalismus gebe es im Bildungsbereich drei Akteure. Den Bund, der vieles an Programmen anstoßen könne, die Länder, die primär für die Bildungspolitik zuständig seien und die Kommunen, die zum Beispiel für die Ausstattung der Schulgebäude sorgen müssten. „Ich bin fest überzeugt: Wir brauchen eine Gesamtanstrengung aller drei Ebenen, damit es im Bildungsbereich gerechter und erfolgreicher vorangeht“, sagte die Bundestagspräsidentin. Der vom Kabinett gerade beschlossene Nationale Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ sei ein Rahmen, in dem Kommunen, Länder und der Bund tatsächlich besser zusammenkommen könnten.
Um Lehrkräfte zu entlasten, sollten Spezialisten eingestellt werden, etwa für die Digitalisierung. Heute müssten sich die Lehrkräfte „irgendwie in die Technik reinfuchsen“, sagte Bas. „Warum versuchen wir nicht, IT-Expertinnen und -experten in die Schule zu holen? Dann könnten die Lehrerinnen und Lehrer sich auf das konzentrieren, was und wie die Kinder lernen sollen.“
Ausbildung und Studium gleichwertig
Nach Ansicht der Sozialdemokratin ist zudem ein Imagewandel bei der beruflichen Ausbildung nötig. „Eine Berufsausbildung im dualen System hat heute ein minderwertigeres Image. Deshalb glauben leider viele Jugendliche, dass sie unbedingt studieren müssen.“, sagte Bas. Sie plädiert dafür, Ausbildung und Studium gleichwertig zu betrachten.
Einen Imagewandel brauche auch die Hauptschule. Die Schülerinnen und Schüler dort fühlten sich als „Restschule“, sagte Bas. „Sie glauben: Wir haben eh keine Chance, wir haben schon verloren, wir sind auf der Strecke geblieben.“ Wenn junge Leute mit solchen Gefühlen bereits zur Schule gingen, brauche man sich über die Abbrecherzahlen nicht zu wundern. Dass im Jahr 45.000 bis 50.000 von ihnen ohne Abschluss die Schule verließen, sei „ein Armutszeugnis für unser Bildungssystem“.