Anerkannte Flüchtlinge, die aus Griechenland nach Deutschland weiterreisen, der Migrationsdruck durch Afghanen, die vor Armut und den Taliban fliehen, sowie die neue Fluchtroute über Belarus stellen die nächste Bundesregierung vor schwierige Entscheidungen. 2020 hatten die weltweiten Einschränkungen im Reiseverkehr, vorübergehende Grenzkontrollen und andere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch zu einem deutlichen Rückgang der unerlaubten Einreisen nach Europa und Deutschland geführt. Das ändert sich jetzt.
Grenze zu Polen in den Fokus gerückt
Wie die Bundespolizei in ihrem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht festhält, wurden an der deutschen Grenze im vergangenen Jahr 35.435 unerlaubte Einreisen festgestellt. Das waren knapp 13 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Fast jede dritte unerlaubte Einreise betraf 2020 den Angaben zufolge die Grenze zu Österreich. Für diesen Grenzabschnitt in Bayern hat der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gerade erst die Kontrollen um weitere sechs Monate verlängert. Sie waren im Herbst 2015 vorübergehend eingeführt und seither unter Hinweis auf das Migrationspotenzial beibehalten worden.
Aktuell stehen allerdings für Deutschland zwei andere Grenzabschnitte stärker im Fokus: Die Grenze zu Polen, wo die Bundespolizei allein im Oktober 5285 unerlaubte Einreisen von Flüchtlingen und Migranten, die über Belarus kamen, festgestellt hat. Außerdem Flüge aus Griechenland, mit denen zunehmend Ausländer, die in Griechenland bereits als Flüchtlinge anerkannt wurden, nach Deutschland kommen - um dann hierzulande erneut einen Asylantrag zu stellen.
In beiden Fällen sind derzeit zwar keine Kontrollen geplant. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass es für einen scheidenden Minister wie Seehofer leichter ist, eine bereits etablierte Maßnahme zu verlängern, als neue vorübergehende Kontrollen anzuordnen. Tatsächlich dürfte die Asylmigration neben Finanzfragen bei den „Ampel“-Koalitionsgesprächen zu einem der größten Konfliktfelder zwischen FDP und Grünen gehören.
Flucht von Griechenland nach Deutschland
Im Schengenraum, dem 26 europäische Länder angehören, gibt es eigentlich keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen. Wer in Griechenland als Flüchtling anerkannt ist, darf für bis zu 90 Tage nach Deutschland oder in ein anderes EU-Land reisen. Neben familiären Bindungen sind wohl auch die in Deutschland besseren Sozialleistungen ein Grund dafür, dass Menschen mit einem Schutzstatus Griechenland in Richtung Deutschland verlassen.
Von 30.701 geplanten Rückführungen wurden im vergangenen Jahr laut Bundespolizei lediglich 13.683 Rückführungen tatsächlich vollzogen. Oft traf die Landespolizei die Abzuschiebenden nicht an ihrem Wohnort an, beziehungsweise Gerichtsbeschlüsse, gesundheitliche Probleme oder andere Gründe verhinderten, dass die Betroffenen das Land verließen.
Angriffe auf Bundespolizei gesunken
Die Zahl der Angriffe auf Bundespolizisten ist durch die pandemiebedingten Einschränkungen 2020 deutlich niedriger gewesen als in den Jahren zuvor. Dass die Polizeivollzugsbeamten trotz abgesagter Fußballspiele und reduzierten Reiseverkehrs dennoch in 1925 Fällen getreten, bespuckt, gestoßen, geschlagen oder gebissen wurden, hängt laut Jahresbericht auch mit der Ablehnung der Maskenpflicht und anderer Corona-Schutzmaßnahmen durch einen Teil der Bevölkerung zusammen. Wie aus dem Bericht weiter hervorgeht, standen alleine 178 Angriffe auf Beamtinnen und Beamte in Zusammenhang mit entsprechenden Kontrollen.
In den Jahren 2016 bis 2019 lag die Zahl der aktenkundigen Angriffe auf Bundespolizisten jeweils bei über 2100 Attacken, wobei 2017 mit 2621 Angriffen ein Höchststand erreicht worden war.
Stärkere Präsenz auf Bahnhöfen wirkt
Die von Seehofer im vergangenen Jahr beschlossene Verstärkung für Streifen an Bahnhöfen mit hoher Gewaltbelastung hat sich aus Sicht der Bundespolizei bewährt. An Orten, die von den regionalen Dienststellen als Brennpunkte eingestuft werden, sind jetzt nicht mehr zwei Beamte unterwegs, sondern mindestens drei. „Dies dient der präventiven Wirkung und stärkt die Durchsetzungsfähigkeit und Eigensicherung der Beamten“, heißt es in der Jahresbilanz.
Die Zahl der Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei sank 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Prozent auf knapp 570.000 Straftaten. Vor allem bei Diebstahlsdelikten, wo es durch die coronabedingte geringere Mobilität weniger Tatgelegenheiten gab, war der Rückgang deutlich: minus 24,5 Prozent. Einen leichten Anstieg verzeichnete die Bundespolizei bei Sexualdelikten und Sachbeschädigungen.