Nach Hanau-Anschlag: Angehörige kritisieren im U-Ausschuss Behörden
Keine Ansprechpartner, keine Informationen, keine tröstlichen Worte: Die Liste der Kritik von Angehörigen der Opfer an der Arbeit der Behörden nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau ist lang. Und dabei bleibt es nicht.
19.02.2021, Hessen, Hanau: Eine Teilnehmerin hält ein Plakat «niemals vergessen#Hanau» auf der Kundgebung zum Gedenken an den rassistischen Anschlag vor einem Jahr in Hanau. (DPA)

Im Untersuchungsausschuss zum rechtsterroristischen Anschlag von Hanau haben weitere Angehörige der Opfer die Arbeit der Behörden teils heftig kritisiert. Die Polizei sei an dem Tatabend völlig überfordert gewesen, mit ihrem „genervten, ängstlichen und zum Teil sogar aggressiven Verhalten“ hätten die Beamten die Situation für die Angehörigen noch schlimmer gemacht, sagte Çetin Gültekin, dessen Bruder erschossen worden war, am Freitag im hessischen Landtag. „Es muss doch einen Plan geben, wie man mit den Menschen vor Ort in einer solchen Situation umgeht.“ Es habe keinen Ansprechpartner, keine Informationen, geschweige denn tröstliche Worte gegeben.

Das zuständige Polizeipräsidium hatte im vergangenen Jahr angegeben, es sei am Tatabend ein Informationszentrum für die Angehörigen eingerichtet worden. Auch fünf Seelsorger seien vor Ort gewesen. Sobald gesicherte Informationen über die Opfer vorgelegen hätten, sei den Angehörigen die Todesnachricht überbracht worden. An der Identifizierung sei mit Hochdruck gearbeitet worden.
Bei dem Anschlag in Hanau hatte der 43-jährige Deutsche Tobias R. am 19. Februar 2020 neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Danach tötete er nach Erkenntnissen der Ermittler seine Mutter und nahm sich selbst das Leben.

Von Obduktion erst nach Monaten erfahren
Gültekin monierte fehlende Empathie von Polizisten und Seelsorgern. So hätten diese in dem Informationszentrum vor den Augen der Angehörigen gelacht. Erst nach vier Tagen hätten die Angehörigen den Aufenthaltsort der Leiche erfahren. Diese lange Dauer sei „unverzeihlich“. Schwer zu schaffen mache ihm auch, dass sie die Leiche seines Bruders erst nach der Obduktion gesehen hätten. Auf den Anblick habe sie keiner vorbereitet. „Es dauerte zwei Tage bis zur Obduktion, in dieser Zeit hätten wir uns doch von ihm verabschieden können. Warum hat uns das niemand angeboten?“
Serpil Unvar berichtete als weitere Angehörige, es belaste sie sehr, dass sie von ihrem Sohn Ferhat nicht habe Abschied nehmen können. Erst Monate nach der Tat habe sie von der Obduktion erfahren - das habe sie geschockt. Schlimm sei für sie, dass die Polizisten am Tatort nicht nach ihrem Sohn geschaut hätten. Einer sei mehrfach über seinen Körper gestiegen, ohne sich über den Zustand zu vergewissern.
Die Hanauer Staatsanwaltschaft hat bereits die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Polizisten wegen unterlassener Hilfeleistung abgelehnt. Das Mordopfer sei innerhalb einer Minute nach der Schussabgabe gestorben, eine Reanimation hätte keinen Erfolg gehabt, so die Behörde.

DPA