Der Migrationsforscher Gerald Knaus hat sich im Hinblick auf die Flüchtlingsfrage für eine Millardenhilfe an die Türkei ausgesprochen.
In einem Interview mit der „Welt“ befürwortet Knaus eine Kooperation mit der Türkei zur Verbesserung der Situation von Geflüchteten in griechischen Lagern. Der Forscher leitet den Thinktank „Europäische Stabilitätsinitiative“ und war der Ideengeber des Flüchtlingsdeals mit der Türkei.
Mehr als 30.000 Asylsuchende verharren derzeit in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. Davon sind rund 7000 unter zwölf Jahre alt. Die humanitäre Lage auf den Inseln ist katastrophal.
Die Unterbringung und Versorgung in den Flüchtlingslagern sei schockierend, so Knaus. Selbst in Ländern wie Pakistan oder Iran gebe es bessere Aufnahmezentren. Die Umstände in den griechischen Lagern sei unmenschlich, erniedrigend und verletzten die Menschenwürde, berichtet der Experte. Von der spärlichen medizinischen Versorgung bis hin zum Schutz von Frauen vor Gewalt – es mangele an allem. Das sei aber so gewollt, um die Flüchtlinge von der illegalen Migration abzuschrecken. Mit dieser Strategie werde jedoch die Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt. Der Rechtsbruch sei nur durch Kooperation zu verhindern – wie etwa mit der Türkei.
Als Lösung des Dilemmas schlägt Knaus vor, die Türkei mit weiteren Milliarden zu unterstützen. Das wäre dem Experten zufolge eine sinnvolle Investition der EU. Wenn die Europäische Union in den Krisenländern nichts bewegen könne, so müsste sie den Ländern helfen, die Flüchtlinge beherbergen. Derzeit leben mehr als drei Millionen Flüchtlinge allein aus Syrien in der Türkei – das sind vier Prozent der türkischen Bevölkerung.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) habe Ende Juli in Griechenland 90.000 Asylsuchende unterstützt. Gleichzeitig habe Griechenland von der EU zwischen 2014 und 2020 knapp drei Milliarden Euro erhalten. Die Türkei habe fast die gleiche Summe für Millionen von Flüchtlingen erhalten.
Der Migrationsforscher warnt: Wenn es während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft nicht gelingt, eine humane Flüchtlingspolitik zu ermöglichen, werde es keine Einigung eines neuen EU-Asylsystems geben. Auch sei eine realistische Abschiebepolitik notwendig. Herkunftsländer müssten in Zukunft dann Menschen wieder zurücknehmen. Bei so einem Abkommen würde kaum ein Ausreisewilliger in ein Boot steigen und sein Leben riskieren, so der Soziologe.