Im vergangenen Jahr haben die Jugendämter in Deutschland so viele Kindeswohlgefährdungen festgestellt wie noch nie zuvor seit Einführung einer entsprechenden Statistik 2012. Das Statistische Bundesamt meldete am Mittwoch in Wiesbaden fast 60.600 Fälle, rund neun Prozent mehr als 2019. Neben einer zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung für den Kinderschutz könnten im Corona-Jahr 2020 auch
die Belastungen von Familien infolge der Kontaktbeschränkungen ein Grund für die Zunahme gewesen sein, hieß es.
Zugleich sei nicht auszuschließen, dass ein Teil der Fälle etwa wegen vorübergehender Schulschließungen oder Besuchseinschränkungen für Verwandte und Bekannte unentdeckt geblieben ist. Bundesweit prüften die Jugendämter im Jahr 2020 knapp 194.500 Verdachtsmeldungen, das waren zwölf Prozent mehr als 2019. Bereits in den beiden Jahren zuvor war die Zahl der festgestellten Kindeswohlgefährdungen um jeweils zehn Prozent gestiegen. 2020 war etwa jedes zweite betroffene Kind jünger als acht Jahre (51 Prozent)
und jedes dritte jünger als fünf Jahre (33 Prozent). Etwa die Hälfte (49 Prozent) der betroffenen Jungen und Mädchen hatte zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch genommen.
Die meisten der rund betroffenen 60.600 Kinder wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf (58 Prozent). Bei rund einem Drittel aller Fälle (34 Prozent) wurden Hinweise auf psychische Misshandlungen beispielsweise in Form von Demütigungen, Einschüchterungen und
Isolierung gefunden. In etwas mehr als einem Viertel (26 Prozent) der Fälle gab es Indizien für körperliche Misshandlungen und in fünf Prozent Anzeichen für sexuelle Gewalt.