SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat angesichts der angespannten Hochwasserlage in Teilen Deutschlands dafür plädiert, mögliche Bundeshilfen von der Schuldenbremse auszunehmen. Die Ampel-Partner seien „gut beraten, sich offen mit der Frage zu befassen, ob die Ausnahmeregelung nach Artikel 115 neben der Ukraine und der Ahrtal-Katastrophe nicht auch für dieses Ereignis anzuwenden ist“, sagte Mützenich dem digitalen Medienhaus Table.Media. Im Falle des Hochwassers sei zunächst eine Schadensbilanz nötig, aber es sei absehbar, dass die zusätzlichen Mittel für Schadensausgleich, THW, Katastrophenschutz und Deicherneuerungen Länder und Kommunen finanziell überforderten. Die FDP sei „informiert, dass wir die Hochwasserhilfen in die aktuellen Haushaltsgespräche einbringen wollen“, sagte der SPD-Fraktionschef.
Die Grünen im Bundestag sehen wegen der Hochwasserlage ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse als Option. „Die Schäden sind immens und die Menschen in den betroffenen Regionen werden sich auf unsere Unterstützung verlassen können“, sagte der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler der „Rheinischen Post“. Dafür werde man auch im Bundeshaushalt 2024 Vorsorge treffen müssen. „Angesichts dessen bleibt die Erklärung der Notlage für das Jahr 2024 durch den Haushaltsgesetzgeber selbstverständlich eine Option“, sagte Kindler. Das habe das Bundesverfassungsgericht auch für Naturkatastrophen wie die im Ahrtal und jetzt in Norddeutschland ausdrücklich zugelassen.
Für eine Aussetzung der Schuldenbremse macht sich auch der Ökonom Marcel Fratzscher stark. „Die Hochwasserkatastrophe in Teilen Deutschlands wird wohl eine Ausnahme von der Schuldenbremse, sowohl für den Bund als auch für das Land Niedersachsen, notwendig machen“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung dem „Tagesspiegel“. Er rechne mit Kosten in Milliardenhöhe. Dieser Betrag könne nicht aus den laufenden Haushalten gedeckt werden.
Als Folge eines Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts, das für Milliardenlöcher im Bundesetat sorgte, setzte der Bundestag Mitte Dezember für das Jahr 2023 die Schuldenbremse erneut aus - zum vierten Mal in Folge. Für das Haushaltsjahr 2024 will die Ampel-Regierung die Schuldenbremse vorerst nicht aussetzen. Eine Ausnahme aber soll für die Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 ergebnisoffen geprüft werden. Dabei geht es um rund 2,5 Milliarden Euro. Auch für den Fall einer veränderten Lage in der Ukraine behält sich die Ampel das spätere Aussetzen und zusätzliche Kredite vor.
Gemeindebund sieht „keinen Anlass“ für Aussetzung
Trotz des Hochwassers in Teilen Deutschlands sieht Gemeindebund-Präsident Uwe Brandl (CSU) „überhaupt keinen Anlass“, die Schuldenbremse auszusetzen. „Da würde ich zur Gelassenheit und zur Zurückhaltung raten“, sagte der Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) am Mittwoch in Berlin. Schließlich gebe es «alle fünf Minuten eine andere schwierige Situation», die ein Aussetzen der Schuldenbremse rechtfertigen könnte.
Vielmehr gehe es darum, die vorhandenen Mittel richtig zu priorisieren. Brandl stellte in diesem Zusammenhang insbesondere die Sozialleistungen in Frage. „Mehr als 70 Milliarden Euro haben alleine die Kommunen im letzten Jahr für Sozialleistungen ausgegeben“, sagte er. Innerhalb von 20 Jahren habe sich diese Summe verdoppelt. Das sei keine nachhaltige und ausgewogene Entwicklung. Die Bundesregierung müsse sich daher die Frage stellen, ob beispielsweise einkommensunabhängige Zahlungen der richtige Weg seien.