Hälfte der Covid-19-Todesopfer Pflegeheimbewohner
Eine Untersuchung in fünf EU-Ländern zeigt: Zwischen 42 und 57 Prozent aller Corona-Todesfälle treten in Pflegeheimen auf. Die Infektionsgefahr mit Covid-19 ist in Pflegeeinrichtungen größer als angenommen.
Hohe Corona-Infektionsgefahr in Pflegeheimen (DPA)

Etwa jeder zweite Todesfall durch das Coronavirus in fünf europäischen Ländern wird einer Studie zufolge aus einem Pflegeheim gemeldet. Eine Forschergruppe der London School of Economics hat für ihre Untersuchung die offiziellen Daten von fünf Ländern ausgewertet: Italien, Spanien, Irland, Belgien und Frankreich. Demnach traten je nach Land zwischen 42 und 57 Prozent aller Todesfälle von Corona-Infizierten in Heimen auf. Die Wissenschaftler betonten am Dienstag, dass ihre Studie nur bedingt aussagekräftig sei: Die einzelnen Länder zählten die Fälle auf verschiedene Weisen; auch die Definition von „Pflegeheim“ unterscheide sich von Staat zu Staat. Dies könnte die Ergebnisse beeinflusst haben, erläutern die Experten. Dennoch dürfe das Ausmaß der Infektionen und Todesfälle in den Heimen nicht ignoriert werden. Eindeutig ist die Lage demnach in Irland, da das Land zentral die Daten zu den Covid-19-Erkrankungen erfasst. Von den bis Samstag 6.444 registrierten Patienten mit der Lungenerkrankung starben 288. Davon waren 156 Personen - also 54 Prozent - Bewohner in Pflegeheimen. In Spanien kam das Team sogar auf 57 Prozent. Hier basierten die Zahlen jedoch auf Medienberichten zu den von Regionalregierungen veröffentlichten Statistiken. Belgien kam auf einen Wert von 42 Prozent, Frankreich auf 45 und Italien auf 53 Prozent.

Pflegeheimbewohner „wie Lämmer beim Schlachten“

Kritiker bemängeln seit Wochen, dass in die Statistiken in Großbritannien bislang kaum Todesfälle in Heimen eingehen. Rosalind Altmann, Mitglied des britischen Oberhauses, sagte im BBC-Interview, sie sei ernsthaft besorgt. Bewohner in Pflegeheimen hätten ihr berichtet, das sie sich „wie Lämmer beim Schlachten“ fühlten. Auch Senioren müssten angemessen behandelt werden. Der britische Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) ist chronisch unterfinanziert. Es fehlt im Kampf gegen die Pandemie an Klinikpersonal, Betten, Schutzausrüstungen und Tests. Ärzte müssen einer Richtlinie zufolge nach Überlebenschancen entscheiden, wer etwa beatmet wird, falls die Kapazitäten nicht mehr ausreichen sollten. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom Dienstag sind bislang über 12.100 Patienten in britischen Kliniken an der Lungenerkrankung Covid-19 gestorben. Mit Abstand am schlimmsten betroffen ist London. Landesweit haben sich knapp 94.000 Menschen mit dem Virus infiziert.

DPA