Gewalt gegen Frauen: Statistiken geben wenig Aufschluss
Es gibt viele Taten, bei denen Frauen das Opfer sind. Manchmal auch, gerade weil sie Frauen sind. Genaue Daten sind allerdings ein Problem. In der Kriminalstatistik werden frauenfeindliche Straftaten bisher nicht gesondert ausgewiesen.
Statistik zu Gewalt gegen Frauen – Straftaten besser sichtbar machen (DPA)

Geschlagen, vergewaltigt, getötet - bei manchen Straftaten werden Frauen zum Opfer, gerade weil sie Frauen sind. Doch wie häufig spielt das Geschlecht des Opfers eine Rolle für die Tat? In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden frauenfeindliche Straftaten bisher nicht gesondert ausgewiesen. Zwar kann der Statistik entnommen werden, wie viele Frauen Opfer welcher Straftaten wurden. Motivationen der Täter dagegen werden nicht erfasst. Nun wird diskutiert, wie das zu ändern ist - in der Politik ebenso wie bei Organisationen, die sich mit Frauenrechten oder mit Opfern von Hass und Gewalt beschäftigen. Das Bundesfamilien- und das Innenministerium planen eine wissenschaftliche Studie zu Gewalt in der Partnerschaft. In Deutschland fehle es an „aktuellen, wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen zu Verbreitung, Ausmaß und Formen von Gewalt gegen Frauen und Männer“, sagt die Sprecherin des Bundesfamilienministeriums. Die Studie solle mit verlässlichen Daten dazu beitragen, Unterstützungs- und Hilfsangebote auf- und ausbauen zu können.

Frauenfeindliche Straftaten in den Polizeistatistiken besser sichtbar machen

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hält eine statistische Erfassung von Straftaten, die aus frauenfeindlichen Motiven begangen wurden, für sinnvoll, erklärt ein Sprecher. „Belastbare statistische Daten liefern wichtige Informationen für gezielte Präventionsstrategien und angemessene staatliche Reaktionen.“ Zuständig sei aber das Innenministerium. Und in der Tat ist auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mittlerweile dafür, frauenfeindliche Straftaten genauer zu erfassen. „Wir müssen frauenfeindliche Straftaten künftig auch in den Polizeistatistiken besser sichtbar machen“, sagte er vor kurzem dem „Spiegel“. Unklar ist aber noch, ob das in der polizeilichen Kriminalstatistik zur allgemeinen Kriminalität passieren soll oder in der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität. Polizisten und Staatsanwälte wissen: Gerade wenn es um häusliche Gewalt und Partnerschaftsgewalt geht, bleibt vieles im Dunkeln. Während zum Beispiel Wohnungseinbrüche und Raubdelikte nahezu vollständig zur Anzeige gebracht werden, kommt es bei anderen Taten nicht zur offiziellen Meldung, weil Opfer schweigen - aus Angst, Scham oder dem Gefühl, es werde sich ohnehin nichts ändern. „Wir sehen immer nur die Spitze des Eisbergs“, sagt etwa eine Juristin aus Frankfurt. „Bei bestimmten Straftaten weist bereits der objektive Tatbestand auf die wahrscheinliche Motivlage des Täters hin“, sagt eine Sprecherin des Hessischen Landeskriminalamts. So werde in der Kriminalstatistik etwa bei Fällen von Sexualmord und anderen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung „die Motivlage quasi mit erfasst“.

Geschlechtsspezifische Gewal als solche sichtbar machen

Das Bundeskriminalamt veröffentlicht jährlich Zahlen zur Partnerschaftsgewalt. In der jüngsten Statistik für 2019 sind 141.792 Opfer erfasst. Die tatsächliche Zahl erfasster Betroffener dürfte niedriger sein, weil die gleiche Person mit jeder weiteren Tat erneut gezählt wird. Rund 80 Prozent der Opfer waren Frauen, knapp 20 Prozent Männer. Bei sexuellen Übergriffen bis hin zur Vergewaltigung sowie bei Zuhälterei und Prostitution waren die Opfer fast immer Frauen. Die Hälfte aller Opfer lebte mit dem Täter oder der Täterin im gleichen Haushalt. Geschlechtsspezifische Gewalt sollte als solche sichtbar gemacht werden, forderte jüngst die Frauenrechtsorganisation medica mondiale. „Die aktuell vom Bundesfamilienministerium angekündigte Studie ist zwar ein wichtiger Schritt. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die Studie auch die unterschiedliche Situation einzelner Gruppen in den Blick nimmt, zum Beispiel von geflüchteten und Trans-Frauen“, sagt Vorständin Monika Hauser.

Rassistisch motivierte Aggression speziell gegen Frauen

Sie wünscht sich allerdings mehr als eine Studie: „Tradierte Rollenbilder, Geschlechterstereotype und Vergewaltigungsmythen, die den Nährboden für sexualisierte Gewalt gegen Frauen bereiten, müssen in der Gesellschaft aber auch in Institutionen gezielt problematisiert und angegangen werden“, sagt Hauser. Dies sei umso wichtiger in Zeiten, „in denen sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene anti-feministische und rassistische Positionen zunehmen“. Immer wieder richtet sich dann auch rassistisch motivierte Aggression speziell gegen Frauen, wie das Beispiel von Muslimas zeigt, die aus religiösen Gründen Kopftuch oder Hijab tragen und berichten, beleidigt, bespuckt oder gar körperlich angegriffen zu werden. Beratungsstellen für Betroffene rassistischer Gewalt wie zum Beispiel response in Frankfurt werden immer wieder derartige Vorkommnisse geschildert. Auch im Internet richten sich manche Attacken besonders gegen Frauen, sagt Josephine Ballon, Juristin bei Hate Aid, einer Organisation für Betroffene von Online-Hass. „Wir haben festgestellt, dass der Anteil von Frauen in der Beratung bei etwa 60 Prozent liegt und dass in der Prozesskostenfinanzierung der Anteil mit 72 Prozent noch höher ist.“ Hetze im Netz, die Frauen zu Hate Aid führt, sei auch „deutlich häufiger strafrechtlich oder zivilrechtlich relevant“. „Der Hass, den Frauen erfahren, ist häufig sehr drastisch und geht direkt unter die Gürtellinie“, sagt Ballon. „Bei einem Drittel der Betroffenen in der Beratung etwa ist zu sehen, dass sich die Inhalte allein wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit gegen sie richten – gegen ihr Aussehen, ihr Frausein und so weiter.“ In etwa fünf Prozent der Fälle handele es sich um Vergewaltigungsdrohungen. „Ich möchte keinesfalls Männern absprechen, dass sie auch digitale Gewalt erfahren“, sagt Ballon. „Aber es geschieht eben nicht in dieser Art und Dimension und dieser sexualisierten Art und Weise – jedenfalls nicht bei weißen, heterosexuellen Männern.“

DPA