Durch den europäischen Austausch von Fingerabdrücken ist es für deutsche Sicherheitsbehörden einfacher geworden, terroristische Gefährder, Straftäter und Asylbewerber mit falscher Identität im Blick zu behalten. Kritiker sehen darin aber auch ein „Willkürinstrument“ gegen „politischen Aktivismus“.
Deutschland und neun weitere EU-Mitgliedstaaten hätten die seit März 2018 mögliche automatische Identifizierung anhand von Fingerabdrücken über das Schengener Informationssystem bereits „sehr erfolgreich erprobt“, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, der Deutschen Presse-Agentur. Ab Dezember 2020 wird die Teilnahme an der Fingerabdruck-Identifizierung für alle Mitgliedstaaten verpflichtend. „Die starke Zuwanderung der vergangenen Jahre hat uns vor allem mit Blick auf die Identifikation der Menschen, die zu uns kommen, vor einige Herausforderungen gestellt“, sagte Münch. Die Behörden wollten erstens wissen, wer jemand ist. Zweitens müsse sichergestellt werden, dass Menschen, die an verschiedenen Stellen auftauchten und zum Beispiel als Straftäter auffielen, auch als die gleiche Person erkannt werden könnten.
Europäischer Kriminalaktennachweis
„Außerdem sind wir gerade dabei, einen europäischen Kriminalaktennachweis zu erproben - mit dem Ziel, biografische Informationen im Bedarfsfall auch im europäischen Verbund verfügbar zu machen“, erklärte der BKA-Chef. Das von der Europäischen Kommission finanzierte Pilotprojekt soll Sicherheitsbehörden in Europa ermöglichen, herauszufinden, ob eine Behörde in einem anderen EU-Land über Informationen zu einem Gesuchten verfügt - und zwar ohne dafür den Namen oder andere personenbezogene Daten zu der Person preiszugeben. Das Projekt, an dem das Fraunhofer-Institut beteiligt ist, ermöglicht es, verschlüsselte Anfragen an Datenbanken zu schicken. Gibt es in einem anderen EU-Staat einen Treffer, kann der Suchende da, wo die Daten vorhanden sind, gezielt „So können datenschutzrechtliche Vorgaben viel besser eingehalten und das Prinzip der Datensparsamkeit besser gewahrt werden“, sagte Münch. Das System soll auch dann Treffer liefern, wenn ein Name etwas anders geschrieben ist - etwa bei Tomas und Thomas oder Ahmad und Ahmet.
Schengener Informationssystem (SIS) Das Schengener Informationssystem (SIS) dient dem Austausch sicherheitsrelevanter Daten innerhalb der Europäischen Union. Es soll zum Beispiel helfen, jugendliche „Ausreißer“ zu finden und Tatverdächtige aufzuspüren. Am 1. Januar dieses Jahres waren 983 278 Menschen im SIS zur Fahndung ausgeschrieben. Die meisten Einträge stammten laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Linke) aus Frankreich und Italien - mit jeweils mehr als 200 000 Einträgen. Aus der Antwort, die der dpa vorliegt, geht hervor, dass Deutschland Anfang Januar rund 95 000 Menschen zur Fahndung ausgeschrieben hatte. Inzwischen werden im SIS auch Gesichtsbilder gespeichert. Im Januar waren es Fotos von 63 450 Personen. Bislang ist es allerdings nicht möglich, in dem System alleine anhand von Fotos nach einer bestimmten Person zu suchen.
Kontrollen als „mächtiges Willkürinstrument“
Deutlich zugenommen haben in den vergangenen Jahren die europaweiten Ausschreibungen zu gezielten oder verdeckten Kontrollen durch Polizeibehörden oder Geheimdienste. „Bei etwa der Hälfte der Maßnahmen handelt es sich um verdeckte Kontrollen, bei denen die Betroffenen nichts davon erfahren“, dass die ausschreibende Behörde unterrichtet worden sei, sagte Hunko. Diese Kontrollen seien ein „mächtiges Willkürinstrument“. Es sei zu befürchten, dass damit auch „politischer Aktivismus“ überwacht werden solle.
Vor allem Deutschland, Italien und Großbritannien nutzten das System zuletzt auch, um gezielte oder verdeckte Kontrollen von Personen „mit Terrorismusbezug“ zu veranlassen. Bei einer gezielten Kontrolle werden die Person und ihr Gepäck durchsucht. Bei der verdeckten Kontrolle wird übermittelt, wo die ausgeschriebene Person angetroffen wurde und mit wem sie gereist ist.