Er war bekannt: Sicherheitsbehörden hatten Kontakt mit Hanau-Attentäter
Nachdem anfänglich kaum etwas über den rechtsextremistischen Angreifer von Hanau bekannt war, hat die Generalbundesanwaltschaft nun Kontakte bestätigt. Ausländische Staaten fordern entschiedenes Vorgehen gegen Rassismus.
Polizist beim Einsatz in Hanau in der Nacht des Terroranschlags.  (DPA)

Der Generalbundesanwalt Peter Frank hat am Freitag bestätigt, dass die Bundesanwaltschaft doch mit dem rechtsextremistischen Attentäter von Hanau vor seinem Terroranschlag bereits Kontakt hatte. Der Kontakt fand im vergangenen November statt.

Damals sei bei der Behörde eine Anzeige des Mannes eingegangen. Er habe darin Strafanzeige gegen eine unbekannte geheimdienstliche Organisation gestellt und darin zum Ausdruck gebracht, dass es eine übergreifende große Organisation gebe, die vieles beherrsche, „sich in die Gehirne der Menschen einklinkt und dort bestimmte Dinge dann abgreift, um dann das Weltgeschehen zu steuern“. Man habe aufgrund dieses Schreibens kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann erklärte, auch bei psychisch kranken Menschen lasse sich das Risiko von Gewalttaten wahrnehmen, wie die „Welt“ zitiert. „Nahezu alle sind vorab auffällig“, sagte der Leiter des Instituts für Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt. Deutschland habe allerdings zu wenig Fachleute, die „eine entsprechende Risikoeinschätzung vornehmen und solche Fälle begleiten“ können.

Auch der Vater des mutmaßlichen Täters sei in der Vergangenheit im Kontakt mit Behörden aufgefallen, durch verschiedene Schreiben, wie Beschwerden. Der Mann sei bei der „Wohnungsöffnung“ des mutmaßlichen Täters in der Nacht zum Donnerstag angetroffen worden. Er sei aber kein Beschuldigter des Ermittlungsverfahrens, sondern im Zeugenstatus.

LKA nennt Staatsangehörigkeit der Opfer

In der Zwischenzeit gab das hessische Landeskriminalamt (LKA) neue Hintergründe zu den Identitäten der getöteten Opfer des rechtsextremen und rassistischen Terroranschlags von Hanau heraus. Das LKA listete die Nationalitäten der Opfer auf. Am Mittwochabend wurden neun Menschen an zwei verschiedenen Orten erschossen. Betroffen waren eine Shisha-Bar und ein Kiosk.

Drei der Toten haben die deutsche Staatsangehörigkeit, zwei die türkische, eines der Opfer habe die bulgarische und eines die rumänische. Ein weiters Opfer kommt ursprünglich aus Bosnien und Herzegowina, und ein Opfer hat die deutsche sowie afghanische Staatsangehörigkeit. Die Angaben gehen aus einer E-Mail des LKA hervor, die an die Stadt Hanau ging.

Hinzukommen die Mutter des Attentäters und der 43-jährige Angreifer selbst - beide deutsche Staatsangehörige. Der rechte Terrorist hatte nach dem Anschlag in Hanau seine Mutter und sich umgebracht.

Unter den Verletzten sind laut LKA je zwei Menschen mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit und einer mit deutsch-afghanischer Zugehörigkeit.


„Moment der Trauer“: Terroranschlag schlägt Wellen im Ausland

Mehrere Staaten sprachen indes der Bundesregierung ihr Beileid aus. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte den rassistischen Anschlag „aufs Schärfste“. Am Rande des EU-Gipfels in Brüssel sagte er am Donnerstag, dies sei ein „abscheulicher rechtsradikaler Terroranschlag“. Es zeige, dass man in Europa radikalem Gedankengut entschieden entgegentreten müsse.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich in Brüssel ähnlich. Bei seiner Ankunft zum Treffen der Staats- und Regierungschefs sprach Macron am Donnerstag als erstes von seinen „bewegten Gedanken an unsere deutschen Freunde“. In diesem „Moment der Trauer“ stehe Frankreich in Solidarität zu Deutschland, sagte Macron. Es gelte, gegen Hass und Rassismus vorzugehen.

Der Anschlag in Hessen zeigt nach Ansicht des US-Präsidentschaftsbewerbers der Demokraten, Bernie Sanders, die „tragischen Kosten“ von ausländerfeindlichem Eifer. Die von einem „rechten Terroristen“ begangenen „Morde“ zeigten, dass solche Kräfte ihre Macht durch das Verbreiten von „Spaltung und Hass“ festigen wollten, erklärte Sanders am Donnerstag auf Twitter.

Die pakistanische Regierung zeigte sich unterdessen besorgt über die neue Welle von Hass gegen Ausländer und Muslime. Eine „steigende Flut von Islamfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus“ ziehe über weite Teile der Welt hinweg, warnte das Außenministerium in Islamabad in einer Stellungnahme am Freitag. Pakistan werde Deutschland und alle gleichgesinnten Staaten bei ihren Bemühungen zur Seite stehen, sich der Islamfeindlichkeit zu widersetzen und für mehr Verständnis zwischen Religionen und Zivilisationen zu werben.

Islamabad verurteile die Angriffe in Hanau aufs Schärfste, hieß es weiter. Pakistan zeige sich solidarisch mit der deutschen Regierung und den Menschen in Deutschland. „Wir sind in unseren Gedanken und Gebeten bei den Angehörigen der Opfer“, so das Außenministerium. Zudem sprach Pakistan der Regierung in Ankara sein Beileid wegen der türkischen Todesopfer des Anschlags in Hessen aus. Der türkische Botschafter zu Berlin, Ali Kemal Aydin, bestätigte Donnerstag, dass fünf türkische Staatsbürger bei dem rechtsterroristischen Angriff ums Leben kamen.

Sicherheitsbehörden mit blindem Auge für Gefahr von rechts

Zum Terroranschlag in Hanau fielen unterdessen am Freitag im Londoner Traditionsblatt „Times“ kritische Töne. „Das deutsche Innenministerium schätzt, dass es im Land jetzt 12.700 Rechtsextremisten mit einer Neigung zur Gewalt gibt. Das allein wäre schon eine große Herausforderung“, heißt es im Beitrag und fährt mit der Analyse fort: „Aber zwei Faktoren machen die Sache noch schwieriger. Der erste ist, dass verschiedene Stränge der extremen Rechten sich anscheinend im Internet kreuzen und dass Einzelgänger leicht Zugang zu einem Arsenal an Kontakten, Anleitungen für Waffen und rassistischen Doktrinen finden.“ Außerdem werden deutsche Sicherheitsbehörden für ihr Handeln kritisiert: „Der zweite besteht darin, dass Deutschlands Sicherheitsapparat viele Jahre lang darauf ausgerichtet wurde, sich auf die vom islamistischen Terrorismus ausgehende Bedrohung zu konzentrieren.“

„Kritiker argumentieren, dass er lange Zeit zu selbstgefällig - oder gar vorsätzlich blind - auf das Aufkommen einer flexiblen, heterogenen und internationalisierten extremen Rechten reagierte und es daher versäumte, angemessene Ressourcen für deren Überwachung bereitzustellen“, bilanzierte die „Times“.

TRT Deutsch und Agenturen