Ein Kommentar vor Burak Altun
Von Tag zu Tag mehren sich die Infizierungen mit dem Coronavirus. Die Welt befindet sich im Ausnahmezustand und reagiert mit außerordentlichen Maßnahmen. Gesundheitssysteme stehen weltweit vor dem Zusammenbruch. Schulen, Cafés, Restaurants, Friseure und viele andere Dienstleister haben die Arbeit notgedrungen stillgelegt. Menschen bleiben zuhause, die Straßen sind leer. Es herrscht Endzeitstimmung.
Während vor einigen Monaten noch andere Themen die Titelblätter schmückten, sind diese mittlerweile durch Nachrichten über das Virus fast gänzlich verdrängt worden. Für die westlichen Staaten ist die Situation traumatisch. Denn seit dem Zweiten Weltkrieg geriet der Alltag nicht mehr aus den geregelten Fugen. Ausgangsbeschränkungen werden in Extremsituation ausgerufen – bei Kriegen, Katastrophen und akuten Bedrohungen. Doch mit einer virusbedingten Stilllegung haben nur wenige gerechnet.
Wir befinden uns derzeit im „Krieg“. Das behaupten jedenfalls die politischen Führer. Der Feind ist dieses Mal kein Staat, keine Terrorgruppe, sondern ein Virus, das die ganze Welt im Griff hat. Doch auch in uns schlummert ein Feind. Er macht sich bemerkbar durch obsessive Hamsterkäufe und rücksichtslose Handlungen. Gier, Geiz und Egoismus kommen in schlechten Zeiten deutlicher zum Vorschein als in guten. In der Krise zeigt sich: Jeder ist sich selbst der Nächste. Gewinnt der eine, verliert der andere.
Doch trotz alledem: Die Welt dreht sich weiter – auch ohne Turbokapitalismus und Wirtschaftswachstum. Sie dreht sich auch dann weiter, wenn die Betriebe schließen und alle weniger arbeiten. Die Kapitalismuspause gibt uns die Chance zur Einkehr, um uns selbst und unser Leben zu hinterfragen.
Die Krise erinnert uns an das, was wirklich wichtig ist: Unsere Gesundheit, unsere begrenzte Lebenszeit – und die Bedeutung von Solidarität für eine funktionierende Gesellschaft, in der die Starken den Schwachen zur Seite stehen. Wir können aus der Katastrophe unseren Nutzen ziehen und nach einem Neustart alte Fehler bereinigen.