Kurz vor der erwarteten Bundestags-Abstimmung über eine kontrollierte Freigabe von Cannabis in Deutschland gibt es weiter Kritik aus den Ländern und der Medizin. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur in Hannover: „Der nun vorliegende Entwurf ist Murks, denn es ist ein schlechter Kompromiss.“ Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) rief Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch zu einem Stopp der Pläne auf. Die Bundesärztekammer warnte, mit der Freigabe werde eine Droge verharmlost, die abhängig mache und zu schweren Entwicklungsschäden führen könne – gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Der federführende Gesundheitsausschuss soll sich an diesem Mittwoch abschließend mit den Gesetzesplänen befassen, wie aus der Tagesordnung hervorgeht. Erwartet wird, dass in der kommenden Woche dann voraussichtlich auch der Bundestag darüber abstimmt. Auf der vorläufigen Tagesordnung des Plenums stand das Thema am Freitag noch nicht. Die Koalition hatte sich kürzlich auf Details verständigt. Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen sollen demnach für Volljährige ab 1. April erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum gemeinsamen Anbau möglich werden. Cannabis soll im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen werden. Vorgesehen sind Regeln und Vorgaben.
Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 22. März mit dem Gesetz befassen. Dessen Zustimmung ist aber nicht nötig. Die Länderkammer kann lediglich Einspruch einlegen. Da in jeder Landesregierung außer der bayerischen mindestens eine Ampel-Partei vertreten ist, gilt ein Einspruch als unwahrscheinlich. Das Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. April wird daher als ziemlich sicher angesehen.
„Gesetz nicht praxistauglich“
Niedersachsens Innenministerin Behrens sagte, alle guten Hinweise seien fast vollständig ignoriert worden. „Daher kann man zumindest aus heutiger Sicht der Polizei sagen: Das Gesetz ist nicht praxistauglich.“ Das eigentliche Ziel, mit einer gesteuerten Abgabe Verbesserungen und Entlastungen zu erreichen, werde so in der Praxis fehlschlagen. Die bayerische Ministerin Gerlach sagte: „Die Bundesregierung darf die Warnungen auch von Ärzten sowie aus der Polizei und Justiz nicht länger ignorieren.“ Der Kanzler müsse die Notbremse ziehen.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte, die geplante Legalisierung sei nicht nur aus ärztlicher Sicht abzulehnen, auch in der Ampel-Koalition gebe es Vorbehalte und gute Argumente gegen die Freigabe in der geplanten Form. „Hier geht es um eine wichtige gesellschaftliche Weichenstellung, bei der die Fraktionsdisziplin gegenüber der persönlichen Verantwortung der Abgeordneten zurücktreten muss.“ Deshalb sei es richtig, wenn das Parlament über das Gesetz in namentlicher Abstimmung entscheide. Die Union will das beantragen. Statt einer Legalisierung fordert die Bundesärztekammer einen Ausbau von Aufklärung und Prävention.
Prävention statt Verbot
Die Bundesregierung verteidigt das Vorhaben mit dem Argument, dass mit der Legalisierung der Schwarzmarkt und die organisierte Kriminalität eingedämmt werde. Zudem könnten Gesundheitsgefahren durch giftige Beimischungen verhindert werden. Darüber hinaus habe sich trotz des bisherigen Verbots der Konsum erhöht.
Unterstützung kommt auch von NGOs wie dem Deutschen Hanfverband (DHV). Kritisiert wird aber, dass die versprochene Legalisierung immer noch nicht umgesetzt worden ist. Dadurch würden weiterhin Konsumenten unnötig kriminalisiert und bestraft. Viele Experten sehen die Verbotspolitik der vergangenen Jahrzehnte als überholt und gescheitert an.