Björn Höcke vor Pegida: Merkels Eingriff ist „Putsch“
Die Liaison der AfD mit der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung nimmt eine neue Dimension an. Der Thüringer AfD-Chef Höcke war als „Ehrengast“ eingeladen. Eine von CDU, FDP und Linken angeregte Gegendemo hatte ebenfalls viel Zulauf.
Thüringer AfD-Chef Björn Höcke bei der 200. Pegida-Versammlung in Dresden.  (DPA)

Der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke hat am Montagabend an der 200. Versammlung von der islam- und regierungsfeindlichen Pegida-Bewegung als Redner teilgenommen, berichteten mehrere Medien. Das Treffen fand auf dem Dresdner Neumarkt, direkt vor der Frauenkirche statt. Rund 4000 Pegida-Anhänger nahmen an der Kundgebung teil, etwa genau soviel Menschen haben gegendemonstriert.

Höcke sei vom Pegida-Mitgründer Lutz Bachmann als Ehrengast präsentiert worden, die Teilnehmer des rechtspopulistischen Straßen-Bündnisses hätten sich begeistert gezeigt, berichtet die Frankfurter Allgemeine. Jedoch habe Bachmann den AfD-Chef nicht persönlich begrüßen dürfen, weil das angeblich der AfD-Bundesvorstand so verfügt habe.

„Das Thüringer Beben kommt nach Sachsen“ - unter diesem Motto sei die Pegida-Demo gestartet.

Umsturz der BRD und Strafanzeige gegen Merkel

Nachdem die Stimmung durch Vorredner angeheizt wurde, habe Höcke laut der „Berliner Zeitung“ in seiner gut 30-minütigen Rede praktisch zum Umsturz in der Bundesrepublik aufgerufen.

Die Bundesrepublik sei ein Irrenhaus, sagte er. AfD-Kritiker seien „hemmungslos irre, völlig verrückt und geistig gestört“, die Gegendemonstranten seien „verwirrte Geister“ und „die Opfer der deutschen Bildungskatastrophe“. Wenn die AfD an der Macht sei, „werden wir die sogenannte Zivilgesellschaft, die sich aus Steuergeldern speist, leider trockenlegen müssen“, kündigte er drohend an.

Merkels Äußerung, das Ergebnis bei der Thüringen-Wahl müsse rückgängig gemacht werden, bezeichnete Höcke als „Putsch“. Sein Landesverband habe daher Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin wegen Nötigung von Verfassungsorganen erstattet. Den Thüringer Linken-Chef Bodo Ramelow habe er als „den Schmuselinken“ bezeichnet.

Seit die AfD im Thüringer Landtag den FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit zum Ministerpräsidenten wählte, ist Höckes Ansehen zumindest unter den Pegida-Anhängern nochmals gestiegen. Er bedauere, dass sich Kemmerich so von ihm distanziert habe, sagte Höcke der Frankfurter Allgemeine zufolge. „Wenn er mich mal kennenlernen würde, würde er sich nicht als Anti-Höcke bezeichnen.“

Höcke habe die „wenigen Vernünftigen“ in der CDU eingeladen, sich in „der richtigen Partei“ zu engagieren.

Die AfD und Pegida - eine alte Liaison

Höcke hat immer wieder deutlich gemacht, dass er die ausländerfeindliche Pegida-Bewegung schätzt. 2016 sagte er der dpa zufolge in einer Parteitagsrede: „Ohne sie wäre die AfD nicht, wo sie ist. Ich sage danke.“

So habe er sich seit Jahren gern mit der Pegida-Führung um Lutz Bachmann gezeigt, stand schon als Redner auf der Bühne. Auch an diesem Montagabend habe man sich freundschaftlich begrüßt. Während Höckes Auftritt musste Bachmann allerdings die Bühne auf dem Neumarkt an der Frauenkirche verlassen. Höckes Bedingung für einen Auftritt beim 200. Pegida-Aufmarsch war es, dass es keine gemeinsamen Fotos von ihm und Bachmann geben dürfe.

Ebenfalls anwesend am Montagabend waren der brandenburgische AfD-Landeschef Andreas Kalbitz und Sachsens AfD-Chef Jörg Urban, der zuvor explizit für den Auftritt Höckes bei Pegida geworben hatte.

Die AfD versucht zu der islam- und ausländerfeindlichen Straßenveranstaltung in Dresden auf Distanz zu gehen, ohne jedoch den offenen Bruch zu wagen. So gelte der „Berliner Zeitung“ zufolge seit 2016 zwar der Beschluss, dass AfD-Mitglieder nicht mit Parteisymbolen bei Pegida-Veranstaltungen auftreten sollen. Redeauftritte von Parteimitgliedern seien allerdings nicht verboten, sie werden von der Partei lediglich abgelehnt.

Auch wenn der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen den Auftritt bei Pegida für falsch hält, hatte er schon vor zwei Jahren eine Annäherung der AfD an Pegida in Aussicht gestellt - dafür aber den Rückzug Bachmanns als Bedingung genannt.

Lutz Bachmann: adrett gekleidet und vorbestraft

Der Pegida-Gründer Bachmann dagegen, der einstigen Mitstreitern zufolge auf Teneriffa lebt und nur noch ab und an zu Pegida einfliegt, denkt gar nicht daran, seinen Posten zu räumen. Er hatte schon im Januar 2015 die Spaltung Pegidas überstanden und nach dem Ausscheiden der Hälfte der zwölf Gründungs-Mitglieder einfach weitergemacht.

Lutz Bachmann, Pegida-Gründer, ist bereits mehrmals vorbestraft worden.  (DPA)

Dass Bachmann bei dem „Jubiläum“ der rechtsradikalen Pegida-Bewegung adrett in Anzug erscheint, ist taktisch gewollt - sein Image des vorbestraften rechtsradikalen Kriminellen haftet dennoch an ihm. Er hatte der FAZ zufolge erst Anfang Februar vom Amtsgericht Dresden mal wieder einen Strafbefehl von über 1800 Euro kassiert, diesmal wegen Beleidigung. Vorbestraft war er bereits knapp zwei Dutzend Mal, unter anderem wegen Drogenhandels, Einbruchs, Körperverletzung und Volksverhetzung.

Bachmann hat nach der Spaltung des ursprünglichen Pegida- Organisationsteams einen strammen Rechtskurs eingeschlagen. Den meisten Applaus erhalten er und seine Gesinnungsgenossen, wenn ordentlich gehetzt wird. Vieles ähnelt einer Inszenierung. Wenn ein Redner auf die Medien zu sprechen kommt, kommt von den Anhängern als Echo „Lügenpresse“ zurück. Wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwähnt, ertönt der Ruf „Volksverräter“. Das war auch so, als Höcke im Mai 2018 erstmals bei Pegida in Dresden zu Gast war.

Protest gegen die Pegida-Kundgebung

Während Initiativen wie das Bündnis „Dresden Nazifrei“ regelmäßig gegen Pegida und ihren Frontmann Lutz Bachmann demonstrieren, hatten erstmals auch die Dresdner Kreisverbände von CDU und FDP zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Unterstützt wurde der Protest laut dpa unter anderem vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden, der Katholischen Kirche sowie der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen. Die Gegendemonstranten befanden sich in Sicht- und Hörweite der Pegida-Versammlung, ihre Anzahl sei diesmal viel größer gewesen als sonst.

An der Gegendemonstration nahmen knapp 4000 Menschen teil. Auch die CDU und FDP solidarisierten sich mit den Demonstranten.  (DPA)

Unter dem Motto „Demokratie braucht Rückgrat“ habe erstmals auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Initiative mitunterstützt. Für die Union, die sich in der Vergangenheit schwergetan hatte mit ihrem Verhältnis zu Pegida, fand Generalsekretär Alexander Dierks am Abend klare Worte. Es sei „in diesen Zeiten Pflicht, dass wir hier stehen und unsere Stimme erheben“, sagte er der FAZ zufolge. „Wir überlassen nicht denen den öffentlichen Raum, die Hass und Hetze verbreiten und unser Land spalten.“

Die islam- und ausländerfeindliche Organisation Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) entstand im Oktober 2014 und hatte vor allem von Rechtspopulisten - aber auch Rechtsradikalen - Zulauf erhalten.

TRT Deutsch und Agenturen